Prof. Dr. Christian Hirsch, M. Sc, ist Zahnarzt und Direktor der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde und Primärprophylaxe am Universitätsklinikum Leipzig. Wir fragten ihn, was Eltern gegen das Zähneknirschen ihrer Kinder tun können.
Wie viele Kinder knirschen mit den Zähnen?
Das ist schwer zu sagen, denn wir können Dreijährige nicht selbst fragen. Eine verlässliche Aussage kann es nur geben, wenn ein Kind im Schlaflabor überwacht wird. Dort werden Geräusche und Muskelaktivitäten aufgezeichnet. Auch die Angaben der Eltern spiegeln die Wirklichkeit nicht gut wider. Ich schätze, dass etwa jedes vierte Kind mit den Zähnen knirscht. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit gibt es also in allen Familien.
Sollten Eltern sofort die Kinderzahnarztpraxis aufsuchen, wenn sie das Knirschen feststellen?
Zähneknirschen ist kein Notfall. Eltern müssen deswegen keinen Extratermin vereinbaren. Wir empfehlen, dass sie ihre Kinder sowieso alle sechs Monate dem Zahnarzt vorstellen, sofern es keine anderen Probleme gibt. Dann kann auch das Zähneknirschen besprochen werden. Manchmal fällt der Abrieb an den Front- und Backenzähnen zunächst den Eltern auf, bevor der Zahnarzt das Thema anspricht.
Was unternimmt der Zahnarzt oder die Zahnärztin?
Zunächst wird der Zahnabrieb bestimmt, um den Schweregrad einzuschätzen. Liegt bereits Dentin, also Zahnbein, frei, handelt es sich um einen schweren Grad. Eine Füllung kann man dann nicht machen, denn der Zahn hat ja kein Loch. Bei Kindern nach dem Ende des Zahnwechsels kann eine Schutzschiene angepasst werden. Das ist allerdings eine rein symptomatische Therapie, denn das Zähneknirschen hört durch eine Schiene ja nicht auf.
Müssen Eltern sich schuldig fühlen, wenn ihr Kind mit den Zähnen knirscht?
Nein, natürlich nicht. Zähneknirschen ist die Folge einer zentral erhöhten Aktivität. Sie kann ganz unterschiedliche Ursachen haben: Schlafprobleme, psychische Erkrankungen oder ADHS. Auch wenn Kinder nachts schlecht Luft bekommen, weil sie große Rachen- oder Gaumenmandeln haben, kann es zu Schlafproblemen und Zähneknirschen kommen. Koffeinhaltige Getränke wie Cola oder Energydrinks erhöhen die Aktivität ebenso. Auf sie sollte schon wegen des hohen Zuckergehalts verzichtet werden. Auch viel Medienkonsum wirkt aktivitätsanregend.
Also kann das Spielen am Handy Zähneknirschen verursachen?
Indirekt schon. Denn wir beobachten, dass Kinder, die viele Medien konsumieren und abends zum Beispiel noch aufregende Filme sehen, häufiger mit den Zähnen knirschen als Kinder, die das nicht tun. Und wir wissen, dass die Ursachen für das Zähneknirschen nicht im Kausystem selbst liegen.
Sollten Eltern auch an sich selbst arbeiten, um auf ihr Kind weniger Druck auszuüben?
Na ja, wir müssen das gesamte familiäre Umfeld betrachten. Manche Kinder haben 12- bis 14-Stundentage. Nach der Schule kommen Tanzen und Reiten, Logopädie und Ergotherapie. Da wundert es nicht, wenn Kinder aufgedreht sind. Natürlich möchten Eltern ihre Kinder maximal fördern, doch täte Entschleunigung allen gut. Auch bessere Schlafbedingungen können helfen. Das Kind sollte es nachts dunkel, leise und kühl haben. Außerdem sollten möglichst nicht alle in einem Bett schlafen, da die Unruhe des einen sich auf den anderen überträgt.
Viele weitere Informationen zum Thema Zähneknirschen bei Kindern gibt es in unserem Artikel: Zähneknirschen setzt enorme Kräfte frei