Es ist eine Situation, über die niemand gerne nachdenkt. Schon gar nicht mitten in der Familienphase. Der Alltag ist trubelig, Verschnaufpausen rar. Das Ende des Lebens scheint weit weg, während wir Essen kochen, Hausaufgaben nachschauen, die Kids zum Sport fahren, sie begleiten und versorgen. Natürlich möchten wir so lange wie möglich für sie da sein, als Ansprechpartner:innen und Sicherheitsnetz – egal, ob sie nun 8, 18 oder 48 Jahre alt sind. Aber was, wenn Eltern früher gehen müssen als gedacht?
Argiris Balomatis ist Anwalt für Familienrecht in Tübingen. Er berät Eltern zum Thema Vorsorge, Vormundschaft und Testament. Es sind meist Menschen zwischen 40 und 50 Jahren, die ihn aufsuchen. „Sie kommen, weil ihre eigenen Eltern in einem Alter sind, in dem das Thema in den Vordergrund rückt. Vielleicht steht eine Erbschaft an, vielleicht haben sie auch im Familien- oder Bekanntenkreis erlebt, dass es wegen eines Erbes drunter und drüber ging“, erklärt der Familienanwalt. „Die meisten Ratsuchenden denken an eine weit entfernte Zukunft, in der sie als Hochbetagte von ihren Kindern beerbt werden“, sagt Balomatis und hat Verständnis: „Viele möchten sich in der Lebensmitte mit so einem Thema einfach nicht auseinandersetzen.“ Und doch macht es durchaus Sinn, seinen letzten Willen festzuhalten, solange die Kinder noch klein sind. Denn erben können sie im wahrsten Sinne von Anfang an – sogar schon vor der Geburt.
Das Erbe des Kindes verwalten
„Nun muss aber niemand in Panik verfallen, weil er noch kein Testament erstellt hat. Wo nichts geregelt ist, regelt das Gesetz. Niemand fällt da ins Bodenlose“, beruhigt der Rechtsberater. Verstirbt ein Elternteil, dann erbt bei Verheirateten der Partner eine Hälfte und die Kinder die andere. Bis zum 18. Lebensjahr der Kinder ist der verbliebene Elternteil automatisch für die Verwaltung ihres Erbes zuständig. „Der Gesetzgeber geht davon aus, dass er das im Sinne des Kindeswohls tut.“
Das bedeutet: Alle Entscheidungen werden zugunsten des Kindes getroffen und zwar so, wie es der oder die Verstorbene gewollt hätte. Wer die Vermögenssorge hat – in der Regel also Vater oder Mutter – ist dafür verantwortlich, dass das Erbe vernünftig und im Interesse des Kindes verwaltet wird. Dazu gehört zum Beispiel, geerbtes Geld anzulegen, das nicht unmittelbar gebraucht wird. Weitreichende Entscheidungen, wie der Verkauf von Immobilien, müssen durch das Familiengericht genehmigt werden. Waren die Eltern zum Zeitpunkt des Todes getrennt oder geschieden, übernimmt der verbliebene Elternteil in der Regel das volle Sorgerecht und damit auch die Vermögenssorge. Im konkreten Fall heißt das: Vater oder Mutter verwalten nun das Erbe der Kinder und damit den Nachlass der Expartnerin oder des Expartners. Wer das nicht möchte, muss sie oder ihn bei der Trennung im Testament aktiv von der Vermögenssorge ausschließen und diese an eine andere Person übertragen.
Nicht immer führt ein Erbe zur Absicherung. Wurden Schulden angehäuft, sollten sie nicht bei den Kindern landen. „Deshalb müssen die Sorgeberechtigten das Erbe innerhalb von sechs Wochen für die Kinder ausschlagen“, so Balomatis. Um dabei alles richtig zu machen, ist eine Rechtsberatung sinnvoll, vor allem, wenn die Vermögensverhältnisse des Verstorbenen unklar sind. Hat ein Kind Schulden geerbt, muss es bei Volljährigkeit innerhalb von drei Monaten eine Beschränkung der Erbenhaftung beim Nachlassgericht beantragen. „Dann haftet es nur mit seinem vorhandenen Vermögen und kann schuldenfrei ins Erwachsenenleben starten.“
Einen Vormund bestimmen
Wer sich mit Vorsorge befasst, möchte in der Regel nicht nur die finanziellen Dinge klären, sondern auch wissen, dass das Kind nach dem eigenen Tod gut aufgehoben ist. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Kind alleine zurückbleibt, kann man im Testament einen Vormund bestimmen. Es ist übrigens nicht so, dass Pat:innen automatisch die Sorge für minderjährige Kinder tragen. „Das Patenamt hat einen rein moralischen religiösen Hintergrund“, macht Balomatis klar. Wünschen sich Eltern einen Paten oder eine andere geeignete Person als Vormund oder wollen jemanden bewusst ausschließen, sollten sie das in einem Testament festhalten.
„Liegt keine Verfügung der Eltern vor, verständigen sich Familiengericht und Jugendamt über einen möglichen Vormund. Zunächst wird dazu im engeren Familienkreis geschaut“, erklärt der Jurist. Gibt es Großeltern, nahe Verwandte oder volljährige, geschäftsfähige Geschwister, wird in der Regel jemand von ihnen bestellt. Ab 14 Jahren sind Kinder in die Entscheidung mit eingebunden. Ist da niemand, der die Vormundschaft übernehmen kann, wird ein professioneller Vormund vomFamiliengericht bestimmt und werden die Kinder gegebenenfalls in einer Pflegestelle untergebracht.
Testament richtig schreiben und verwahren
Es ist kein Muss, aber empfehlenswert, sich beim Verfassen des letzten Willens beraten zu lassen, denn es gibt einiges zu beachten. So muss ein Testament entweder notariell beurkundet oder aber vollständig mit der Hand geschrieben werden und dennoch offiziell aussehen, um als Testament anerkannt zu werden. Von der Einleitung bis zur Unterschrift muss es lesbar und mit Ort und Datum versehen sein. Zudem gehören alle Punkte hinein, die dem Schreibenden – oder im Falle eines gemeinsamen Testamentes beiden – wichtig sind.
Zum Beispiel die Namen der Erben samt Geburtsdatum und Anschrift, eine Vermögensaufstellung und besondere Wünsche oder Auflagen. Wichtig sind auch offizielle Formulierungen. Geht es um die Vormundschaft, schreibt man also nicht „Tante Lena soll sich um das Kind kümmern", sondern „Meine Schwester Lena Meier, geboren am …, wohnhaft in …, soll im Falle meines Todes die Vormundschaft für unseren Sohn übernehmen." Damit das Testament nach dem Tod auffindbar ist, kann man es bei einem Anwalt oder einer Notarin hinterlegen. Auch Nachlassgerichte bewahren das Schriftstück für eine einmalige Gebühr von 75 Euro auf. Zusätzlich muss es im Zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer erfasst werden, was noch mal 18 Euro kostet. Das zuständige Amtsgericht kann man über die Seite „gerichtsstand.net“ ermitteln und einen Antrag auf Hinterlegung stellen. Zum Termin muss man neben dem Testament auch Personalausweis und Geburtsurkunde mitbringen.
Mit Kindern über Vorsorge sprechen
Ob und wie ausführlich man mit einem Kind über Vorsorge spricht, hängt vom Alter ab und auch ein wenig vom Kind selbst. Bis zur Grundschule wird das Thema für die meisten zu abstrakt sein, um es überhaupt zu verstehen. Aber auch an ein Gespräch mit älteren Kindern sollten Eltern sensibel herangehen, um keine Ängste zu schüren. Dazu gehört eine liebevolle, kindgerechte Sprache, die das Thema Sicherheit, Schutz und Wohlbefinden in den Vordergrund rückt. Vielleicht kann man auch ein Kinderbuch oder ein passendes Hörspiel als Aufhänger nehmen.
Je älter die Kinder werden, desto eher entwickeln sie eigene Vorstellungen und Wünsche für die Zukunft. Hier können sich Eltern im Gespräch langsam in Richtung Vorsorge und Erbe vortasten und schauen, wie ihr Kind reagiert. Vielleicht hat es selbst schon einmal über das Thema nachgedacht und Fragen dazu. Dann kann es ihm sogar Sicherheit geben, wenn man diese unaufgeregt und behutsam bespricht und dabei herausstellt, was Vorsorge eigentlich bedeutet: Ich bin und bleibe an deiner Seite.