© Canva
Missbrauch, sexualisierte gewalt
Viele Eltern bringen ihren Kindern bei, nie mit Fremden mitzugehen. Das ist so, wie wenn du deinem Kind bei der Verkehrserziehung einschärfst, sich vor Mähdreschern in Acht zu nehmen, ohne die Autos zu erwähnen.
Dieses Zitat aus einem Interview mit der Schweizer Autorin Agota Lavoyer über ihr neues Kinderfachbuch "Ist das okay?" trifft den Kern der neuen Aufklärungskampagne der Bundesfamilienministerin. Unter dem Titel "Schieb den Gedanken nicht weg" soll sie ein Umdenken bei sexueller Gewalt gegen Kinder bewirken. Sie will dazu auffordern, immer da informiert zu handeln, wo Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt erleben und erwachsene Betroffene sexualisierte Gewalterfahrungen in der Familie oder anderen Tatkontexten offenlegen. Denn sexualisierte Gewalt in der Familie sei keine Privatangelegenheit, sondern Unrecht, so der Betroffenenrat.
Denn genau das oft fehlende Unrechtsbewusstsein führt zum Schweigen über den Tatort Familie. Es wird geschätzt, dass 1 bis 2 Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind - bei rund drei Viertel der Fälle geschieht das in der eigenen Familie oder im sozialen Nahfeld. Fremde, die das Kind auf der Straße ansprechen oder entführen machen den vergleichsweise viel kleineren Teil der Täterschaft aus. Von den meisten Menschen wird dieses reale Risiko im nahen, eigenen Umfeld allerdings weitgehend verdrängt: 85 Prozent aller Erwachsenen halten es für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexuelle Gewalt in ihrer eigenen Familie passiert oder passieren kann, so das Ergebnis einer FORSA-Umfrage im Auftrag der Unabhängigen Beauftragten.
Nur wenn ich den Gedanken zulasse, dass auch Kindern in meinem persönlichen Umfeld sexuelle Gewalt angetan wird, kann ich notfalls handeln,
erklärt Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Dafür zeigt die Kampagne Handlungsmöglichkeiten auf und nennt Stellen, an die sich jeder wenden kann, der oder die den Verdacht oder das Wissen über einen Fall von sexueller oder sexualisierter Gewalt hat. Neben einer Vielzahl von Informationsmaterialien stärkt die Kampagne lokale Netzwerke und kommunale Initiativen und unterstützt diese mit einem Kampagnenbüro. Durch die Zusammenarbeit von Fachpraxis, Politik und Zivilgesellschaft sollen nachhaltige Bündnisse vor Ort zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt erreicht werden. Auch der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiger Partner, der die Kampagne und die bundesweiten und lokalen Aktivierungsmaßnahmen unterstützt.
Mach niemandem die Tür auf! – Und wenn die Gefahr schon drinnen ist?
Kampagnenseite mit Materialien zum Download und Bestellen: www.hilfe-portal-missbrauch.de
FORSA-Befragung sowie weitere Zahlen und Fakten zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen: beauftragte-missbrauch.de