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Vegane Ernährung
Burger ohne eine Faser Fleisch? Eiscremesorten wie Banane, Tonkabohne, dunkle Schokolade ohne Milch und Sahne? Na klar! Der Veggie-Boom macht's möglich. Sojawürstchen und Hafermilch gab es vor einigen Jahren nur in Bioläden oder Reformhäusern, heute finden wir das alles und mehr in jedem Supermarktregal. „Das Angebot wird spürbar größer und auch besser“, sagt Wiebke Unger vom vebu Vegetarierbund, heute ProVeg Deutschland.
Lifestyle mit ethischem Anspruch
Die einen verzichten auf Tierisches aus gesundheitlichen Gründen, die anderen aus ethischen: Kein Tier soll leiden oder sterben, nicht für unser Schnitzel, unser Rührei, unseren Milchschaum. Regenwälder sollen nicht Weideflächen weichen, Anbauflächen nicht für Viehfutter herhalten müssen. Kein Wunder, dass gerade Jugendliche sich für diesen Lifestyle begeistern. Er tut dem Klima gut, ganz anders als der Fleischkonsum: In 1 kg Fleisch stecken – je nach Tierart und Haltungsform – bis zu 36 Kilogramm CO2. Wer sich Massentierhaltung, Lebensmittelskandale und die unzähligen Umweltsünden vor Augen führt, dem kann die Lust auf Fleisch vergehen.
Immer mehr Menschen entscheiden sich gegen Fleisch oder schränken ihren Konsum ein. Laut einer Hochrechnung des Allensbach-Institutes sind 6,5 Millionen Deutsche Vegetarier, 1,1 Millionen leben vegan. Die Zahl der Veggis ist seit 2016 um 23 Prozent gestiegen, die Veganer haben 41 Prozent zugelegt.
Können wir so die Welt retten? Oder ist der Vegan-Trend ein großes Geschäft, bei dem an Blogs und Büchern, Nahrungsergänzung und Lifestyle-Produkten kräftig verdient wird? Und ist eine vegane Lenesweise für Kinder überhaupt geeignet?
Ist eine vegane Ernährung für Kinder gesundheitsschädlich?
Veganismus ist ein Zankapfel – vor allem, wenn es um Kinder und deren Ernährung geht. Experten sehen eine vegane Ernährung für Kleinkinder als riskant bis ungeeignet. Das Netzwerk „Gesund ins Leben“ im Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) rät daher dringend davon ab. Sehr kritisch wird die Versorgung mit Vitamin B12 eingestuft, das steckt lediglich in tierischen Nahrungsmitteln. Auch bestimmte essentielle Aminosäuren, langkettige n3-Fettsäuren, die Vitamine Riboflavin und Vitamin D sowie die Mineralstoffe Calcium, Eisen, Jod, Zink, Selen sind potenziell kritisch.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat im September 2020 ihr Positionspapier zur veganen Ernährung ergänzt. Für Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder und Jugendliche wird eine vegane Ernährung nicht empfohlen, da „das Risiko eines Nährstoffmangels in den sensiblen Lebensphasen als hoch eingeschätzt wird“. Sie lehnt diese allerdings – und das ist neu – nicht mehr kategorisch ab und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für Menschen, die sich tierfrei ernähren möchten.
Ernährungsberatung für vegane Familien
Ernährungsberaterin und Buchautorin Carmen Hercegfi aus Hamburg hat sich auf Beratung für vegane Familien spezialisiert. Ganz ohne Tierisches gesund bleiben? „Selbstverständlich geht das“, sagt sie: Für Gehirnentwicklung und Nervensystem sind Omega-3-Fettsäuren essenziell. Veganer können sie in Form von gelatinefreien Kapseln oder angereichertem Leinöl zu sich nehmen. Proteine liefert nicht nur Fleisch. Auch Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen enthalten Eiweiße. Ein Vollkornroggenbrot mit Sauerteig bietet schnell verfügbare Mineralstoffe. Vitamin B12 gibt‘s als Tropfen oder Lutschtabletten, Eisenpräparate als Saft.
„Vegan essen ist eine sinnvolle Ernährungsweise“, sagt sie. „Ich finde es unmöglich, dass man auf den Vegetariern oder Veganern so herumhackt.“ Doch der Veggie-Trend habe auch seine Tücken: „Es gibt eine Vielzahl an Veggie-Fertigprodukten. Das ist dem Hype geschuldet und erweckt den Anschein, vegan zu leben sei easy“, sagt Hercegfi.
Für Ernährungslaien schwierig
Prof. Mathilde Kersting, Leiterin des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund sieht noch eine andere Kehrseite des Booms: „Die Bezeichnung „vegan“ kann suggerieren, das Nahrungsmittel sei besonders gut oder besonders gesund.“ Das könne ein Nahrungsmittel hochwertiger erscheinen lassen, als es tatsächlich ist und so bewusst in die Irre führen. Zudem hält Prof. Kersting viele Ratschläge zur veganen Ernährung im Internet für fragwürdig.
Ihr Fazit: Vegan ist möglich – aber nur, wenn sich Eltern fachlich beraten lassen und den Kinderarzt in ihr Ernährungskonzept einbeziehen. „Die empfehlenswerte Kinderernährung ist eine optimierte Mischkost, das heißt eine Ernährung auf pflanzlicher Basis mit einem moderaten Anteil von Fleisch und tierischen Lebensmitteln. Weicht man davon ab, muss man sich dessen bewusst sein.“
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Veganes Frühstück
Vegan – was heißt das eigentlich?
Wer vegan lebt, streicht nicht nur Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier und Honig vom Speiseplan. Er oder sie trägt auch weder Wolle noch Leder. Besucht keine Zoos oder Tiershows, keinen Zirkus mit Tierdressur, keine Reiterhöfe. Lehnt es ab, dass Tiere unwürdig leben, dass sie Menschen unterhalten oder ihnen Nahrung liefern. Veganer Lifestyle betrifft also alle Bereiche – hier ein kleiner Einblick in die vegane Welt:
- Kosmetik: Duschgels, Shampoos oder Cremes enthalten häufig Zusatzstoffe, die von Tieren stammen, etwa Bienenwachs, Propolis, Perlmutt. Das kommt Veganern nicht ins Badezimmer.
- Schlafen: Auch die feinen Daunen in Kissen oder Bettdecken stammen vom Tier - von Enten oder Gänsen. Veganes Bettzeug ist mit Naturfasern gefüllt.
- Kleidung: Felle, Wolle, Seide und Leder werden durch Baumwolle oder Kunstleder und Sojaseide ersetzt. So muss kein Schaf sein Haar für einen Schal, kein Tier seine Haut für schicke Schuhe lassen.
- Wohnen: In vielen Klebstoffen sind tierische Materialien enthalten, zum Beispiel Knochenanteile im Holzleim. Auch die Etiketten auf Flaschen und Gläsern sind mit Klebstoffen befestigt, häufig dient Kasein, also Milcheiweiß, als Kleber. Alternativen gibt es auf Basis von Reis- oder Kartoffelstärke.
- Aufbewahrung: Da Veganer nicht überall bedenkenlos essen können, bereiten sich viele Zuhause ihr Mittagessen oder einen Snack zu und nehmen ihn mit. Das lässt die Nachfrage nach nachhaltig produzierten, schadstofffreien Lunchboxen steigen.
- Urlaub: Vegan Urlaub machen? Auch das ist möglich – wenn auch selten. Einzelne Hotels bieten z.B. ein veganes Frühstück an.