Die gute Nachricht ist, dass Deutschland in Sachen Zahngesundheit sehr gut gerüstet ist. Schon in der letzten Zahngesundheitsstudie von 2016 stellten Wissenschaftler:innen fest, dass in unserem Land besonders wenige Kinder und Jugendliche Karies und Parodontitis, auch Parodontose genannt, haben. Also könnten wir uns das Thema sparen? Leider nein.
Wir haben mit Zahnarzt Christian Sternat, Vorstandsmitglied des Deutschen Zahnärzteverbands und Vorsitzender der Zahnärzte-Initiative, gesprochen.
Kuckuck: Ist Zahngesundheit gar kein Thema mehr?
Christian Sternat: Karies ist tatsächlich ein sozioökonomisches Thema. Wir haben Familien, in denen vermehrt schlecht gepflegte Zähne vorkommen. Während im Schnitt eins von zehn Kindern unter 3 Jahren Karies hat, sind das in Brennpunkt-Wohngebieten bis zu 40 Prozent der Kinder. Viele Eltern wissen nicht, dass Karies und Zahnfleischerkrankungen zu Herz- und Kreislauferkrankungen führen können, also über die Zahn- und Zahnfleischschmerzen hinaus auch gefährlich sind.
Was können Eltern für die Zahngesundheit ihrer Kinder tun?
Wichtig sind zwei Hauptsachen: Eine gesunde Ernährung sowie eine sorgfältige Zahnpflege. Kinder, die ständig Säfte trinken oder über den gesamten Tag verteilt essen, bekommen nie eine ph-neutrale Mundflora. Zahnschmelz und -fleisch werden permanent durch den Zucker in Getränken und im Essen angegriffen.
Wie oft sollten Kinder also essen und trinken?
Kinder sollten zu den regelmäßigen Mahlzeiten Nahrung zu sich nehmen, ein Stillkind also circa alle drei bis vier Stunden, Kleinkinder alle vier Stunden und ältere Kinder zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot. Die Zeiten dazwischen sorgen dafür, dass sich die Mundflora wiederherstellt und so weniger Karies oder Zahnfleischerkrankungen entstehen.
Und wie oft sollten sich Kinder die Zähne putzen?
Alle sollten sich am Abend sorgfältig die Zähne mit einer eigenen Zahnbürste putzen. Wichtig ist, dass Eltern das Putzen kontrollieren und nachputzen. Kleinkinder können noch nicht sorgfältig putzen, Teenager lassen es gern auch einmal ausfallen. Morgens können sich Kinder und Jugendliche entweder vor oder nach dem Essen die Zähne putzen. Vorher sorgt das Fluorid in der Zahnpasta für einen festeren Zahnschmelz und eine Säuberung der Zähne von Belag, nach dem Essen hat man ein gutes Gefühl. Doch auch hier gilt: Sorgfältig putzen, Zahnseide benutzen.
Was ist, wenn ein:e Zahnärzt:in dennoch weiße Stellen oder Karies feststellt?
Acht von zehn Kindern haben keine Karies. Das ist die gute Nachricht. Wir haben ein gut ausgebautes Vorsorgeprogramm in unserem Land, zu dem regelmäßige Untersuchungen gehören. Wenn Eltern diese mit ihren Kindern wahrnehmen, erkennen die Zahnärzt:innen früh weiße Stellen, so genannte White Spots. Manchmal reicht es, von nun an sorgfältig zu putzen, manchmal sollte mit einer fluoridhaltigen Creme geholfen werden. Wenn gebohrt werden muss, so handelt es sich zumeist um kleine Löcher.
Dennoch haben manche Kinder schon braune Milchzähne und große Löcher?
Seit den 1980er Jahren wird dem Speisesalz zum Teil Fluorid zugesetzt. Zahnärzt:innen empfehlen, Säuglingen Fluorid zu geben. Karies ist so entscheidend zurückgegangen. Dennoch gibt es Ärzt:innen und Heilkundler:innen, die Fluorid kritisch gegenüberstehen. Und es gibt Eltern und Kinder, die nie Karies hatten und somit keine unangenehmen Erfahrungen mit Schmerzen im Mund gemacht haben. Wir Zahnärzt:innen klären dazu auf und weisen die Eltern und Kinder bei Zahnproblemen darauf hin, auf Ernährung, sorgfältiges Putzen und regelmäßige Besuche bei Ärzt:innen zu achten. Damit bekommt man all‘ diese Probleme gut in den Griff.
Warum setzen Sie Ihren Fokus jetzt stärker auf Zahnfleischerkrankungen?
Parodontitis ist nicht nur für die Zähne gefährlich, sondern kann auch zu Herz- und Kreislauferkrankungen führen. Wir haben eine zunehmende Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die an Diabetes erkranken. Diabetes und Zahnfleischerkrankungen beeinflussen sich gegenseitig. Dazu wollen wir mehr aufklären und so erfolgreich wie in Sachen Karies Vorsorge betreiben.

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Zahngesundheit
Gut zu wissen
Karies und weiße Flecken sind Erkrankungen der Zähne. Zuerst entkalkt sich der Zahn und zeigt weiße Flecke, später treten Löcher auf. Häufiges zuckerhaltiges Essen und Trinken, dazu gehört auch Muttermilch, kann Karies fördern, weil es die Mundflora verändert. Karies kann durch das Ablecken von Nuckeln etc. und das gemeinsame Nutzen einer Zahnbürste von Mensch zu Mensch übertragen werden.
Parodontitis ist eine Zahnfleischerkrankung. Bakterien verursachen eine Entzündung, die sogar zum Abbau von Knochen im Mund führen kann. Zudem werden Zahnfleischerkrankungen als Auslöser von Herzerkrankungen sowie Rheuma und Krebserkrankungen gesehen. Diabetes, schweres Übergewicht und eine Immunschwäche sowie andere Erkrankungen können Parodontis verursachen.
Gute Mundhygiene sollten Eltern gemeinsam mit ihren Kindern durchführen. Dazu gehört es, sich mindestens zwei Minuten lang die Zähne zu putzen sowie die Zahn-Zwischenräume durch Zahnseide zu reinigen. Zwischen einer Mahlzeit und dem Putzen sollten 15 bis 20 Minuten liegen. Eltern sollten Jugendliche fragen, ob sie ihre Zähne sorgfältig geputzt haben. Gerade in diesem Alter vernachlässigen viele Kinder die Zahnpflege. Gerade wenn ein Kind länger krank oder behindert ist, ist eine sorgfältige Pflege besonders wichtig.
Essen und Zahnschmerzen haben einen Zusammenhang. Es ist nicht nur notwendig, sich regelmäßig die Zähne zu putzen. Pausen zwischen den Mahlzeiten regulieren die Mundflora und beugen Karies und Zahnfleischerkrankungen vor. Wer ständig Süßes trinkt oder isst, füttert Bakterien im Mund.
Stillen und Zahnschmerzen können durch den Milchzucker in der Muttermilch ebenfalls zusammenhängen. Kinder, die besonders lange oder häufig gestillt werden und bereits Zähne haben, benötigen eine besonders gute Zahnpflege.
Große Nuckel fördern Mundfehlstellungen, die wiederum zu Karies und Zahnfleischerkrankungen führen können. Latexnuckel sind ebenfalls mit Vorsicht zu genießen, weil viele Menschen eine Latexintoleranz entwickeln.
Angst vor Fluorid ist unbegründet. Seit den 1980er Jahren fügen die Hersteller Zahnpasta in Deutschland Fluorid hinzu. Seitdem hat sich die Mundgesundheit in unserem Land dramatisch verbessert. Es gibt sehr viel weniger Karies bei jungen Menschen. Fluorid ist nur gefährlich, wenn man auf einmal sehr hohe Mengen zu sich nimmt, das heißt als Erwachsener müsste man zwei Tuben Zahnpasta auf einmal schlucken.