Der Immobilienmarkt in den Großstädten ist leergefegt. Vor allem für Familien ist es schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Warum also nicht gemeinsam bauen und wohnen? Doch ein Haus für viele Menschen zu planen, ein Grundstück zu finden, die Finanzierung zu stemmen und schließlich zu bauen, kann Nerven kosten. Je durchdachter das Konzept, desto weniger Stolpersteine.
Gemeinsam mit Freunden oder Geschwistern zu bauen oder ein altes Gebäude zu sanieren, setzt eine Baugemeinschaft voraus. Die hat deutlich mehr Aufgaben als eine Eigentümergemeinschaft, deren Mitglieder in einem Gebäude jeweils eine eigene Wohnung besitzen. Die Mitglieder einer Baugemeinschaft müssen kompromissbereit sein, denn alle haben individuelle Wünsche für ihr zukünftiges Zuhause. Gleichzeitig müssen sich alle darauf einigen können, wie ressourcenschonend das Gebäude gebaut oder umgebaut werden soll, wie private Räume von Gemeinschaftsflächen abgegrenzt werden und welche Atmosphäre gemeinsame Bäder, Küchen und Spielzimmer später ausstrahlen sollen.
Schließen sich mehrere Personen zu einer Baugemeinschaft zusammen, gibt es unterschiedliche Rechtsformen: die private Baugemeinschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die Genossenschaft oder den Verein. Bei der sogenannten betreuten privaten Baugemeinschaft ist es oft ein Architekt oder Bauträger, der als Projektmanager auftritt und den Baufortschritt sowie die Abrechnung kontrolliert. Die freie private Baugemeinschaft hingegen beauftragt einen Architekten, sucht Handwerker für Rohbau, Dach, Heizung, Sanitäranlagen und Innenausbau selbst aus und organisiert den gesamten Bau.
Gemeinsames Bauen spart Geld
Gemeinsam zu bauen kann bis zu 20 Prozent der Kosten sparen. Denn wer gemeinsam plant, Material und Handwerksarbeiten in größerem Stil einkauft und den Bau eines ganzen Wohnkomplexes koordiniert, hat insgesamt weniger Aufwand. Trotz dieser Einsparmöglichkeiten ist der Bau eines Hauses aktuell so teuer wie lange nicht. Rohstoffe sind knapp, Lieferzeiten dauern und Handwerksunternehmen fehlen die Fachkräfte – all das treibt die Preise in die Höhe. Meistens geht es nicht ohne Baufinanzierung über eine Bank. Je mehr Menschen mit einem festen Einkommen zur Baugemeinschaft gehören, desto geringer das Risiko für die Banken und desto eher sind sie dazu bereit, einen Kredit zu geben. Einige Banken haben sich auf die Finanzierung von Baugemeinschaften spezialisiert. Es lohnt sich, danach zu suchen.
In einem GbR-Vertrag können die Besitzverhältnisse genau festgehalten werden. Vier Partner:innen könnten zu jeweils einem Viertel Eigentümer:in des Hauses sein. Es kann aber auch eine ganz andere Aufteilung vereinbart werden, so dass zum Beispiel einer Person 50 Prozent des Hauses gehören und die übrigen drei sich die zweite Hälfte aufteilen. Fällt eine:r der Gesellschafter:innen aus, verlangt die Bank die monatliche Rate von den anderen Mitgliedern der Baugemeinschaft.
Eine Grundregel lautet: Nur nichts überstürzen – auch wenn die Kreditzinsen zurzeit steigen oder die Miete schon wieder angehoben wurde. Wer sich die falschen Baupartner:innen aussucht oder den Grundriss unüberlegt gestaltet, könnte diese Fehlentscheidungen später teuer bezahlen.
„Egal, ob ich ein Ei oder ein Auto brauche – ich bekomme alles“
Wenn Paula (4) und Luca (2) mit ihrer Mutter Linda Ohnesorge runter zur Waschküche gehen, übt eine der grauen Kellertüren eine magische Anziehungskraft aus. „Da ist das Spielzeug drin“, erklärt Paula. Als die Tür sich öffnet, zeigt sie auf Schätze wie in einem Schlaraffenland: Roller, Dreiräder und Laufräder stehen bereit, mehrere Hula-Hoop-Reifen lehnen an einem Regal, Schlitten lagern auf den obersten Regalbrettern, es gibt ein Zirkuszelt und alles, was Kinder für den Sandkasten brauchen. „Immer, wenn wir runterkommen, bestehen die Kinder darauf, sich ein Spielzeug auszuleihen“, sagt Linda Ohnesorge. „Wir räumen es dann zeitnah zurück.“
© Gorodenkoff
Gemeinsam leben
Die vierköpfige Familie wohnt gemeinsam mit 52 anderen Parteien in einem der Mehrgenerationenhäuser der Wahlverwandtschaften in Bonn-Duisdorf. Ein Auto haben die Ohnesorges nicht, ihr Lastenrad steht gemeinsam mit einem weiteren auf dem Stellplatz einer anderen Bewohnerin. Vieles wird geteilt. „Mein Mann und ich haben immer gerne in Wohngemeinschaften gewohnt, schon unter finanziellen und ökologischen Gesichtspunkten“, erzählt Ohnesorge. Nun hat die Familie eine Erdgeschosswohnung mit drei Zimmern auf 86 Quadratmetern. „Wenn wir Gäste haben, kommen sie für kleines Geld in der gemeinsamen Gästewohnung unter. In der Wohnung feiern wir auch die Kindergeburtstage.“
Wenn Paula und Luca von ihrer Terrasse links abbiegen, vorbei am Hochbeet mit Kartoffeln und Kürbissen, gelangen sie über den Rasen zu Navid (3) und Pina (1). Zäune gibt es zwischen den Terrassen nicht. Auch zwischen den insgesamt vier Mehrgenerationenhäusern liegt eine große Gemeinschaftswiese.
Die Wohnung von Navid, Pina und ihren Eltern hat 75 Quadratmeter. Noch teilen sich alle vier ein gemeinsames Schlafzimmer. „Wenn die Kinder ein Kinderzimmer brauchen, werden wir unser Büro outsourcen“, sagt Anja Greif. Sie ist Lehrerin, ihr Mann wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule. Es könnte sogar sein, dass jemand anders aus den Mehrgenerationenhäusern ihnen ein Zimmer als Büro zur Verfügung stellen wird.
An jedem ersten Montag im Monat trifft sich die Hausgemeinschaft zum Meeting, es kommen etwa 25 Personen. Dann wird zum Beispiel besprochen, wie sich der große Weihnachtsbaum, der jeden Advent mitten auf der Wiese steht, mit einer Seilwinde aufrichten lässt. Auch Konflikte kommen auf die Tagesordnung. So war einigen Bewohner:innen der Trubel rund um das große Trampolin zu laut. Also fand die Gemeinschaft einen Kompromiss: Das Trampolin wechselte alle vier Wochen den Standort, bis die Eltern der jüngeren Kinder aus Sicherheitsgründen darum baten, es wieder abzubauen. „Jeder hat seine Bedürfnisse“, sagt Anja Greif. „Doch wir haben alle die gemeinsame Grundhaltung, dass jeder sein Bestes gibt.“
Welche Wohnmodelle gibt es?
Mehrere Generationen unter einem Dach
In Köln-Rondorf entsteht zurzeit der Hof der Familie, in Bonn gibt es die Wahlverwandtschaften, in Mainz ziehen Familien, Paare und Singles bald in das Haus des Vereins stattVilla e.V und in Frankfurt vernetzt das Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen e.V. 23 bereits realisierte Wohnprojekte. Mehrere Generationen unter einem Dach liegen im Trend. Dabei sind die Vereine auf die sogenannte Leihoma nicht gut zu sprechen. Sie wollen mehr als das rein praktische Teilen der eigenen Ressourcen. In ihren Häusern geht es um Toleranz, Vertrauen und Mitbestimmung. Wer dort einzieht, soll langfristig bleiben und Verantwortung für die anderen Mitbewohner:innen übernehmen.
Co-Housing
Waschküche und Werkstatt für alle, eine große Küche mit Speisesaal, Spielzimmer für die Kinder und gemeinsame Fahrzeuge – diese Elemente kommen in Co-Housing-Projekten vor. Dennoch haben die Bewohner:innen ihre privaten Wohnungen. Zu den Grundprinzipien gehört, dass sie das Gebäude oder die Siedlung von Anfang an gemeinsam planen und schon durch die Architektur soziale Kontakte fördern. Die Idee entstand in den 60-er Jahren in Dänemark. In Deutschland gehört der Prympark in Düren zu den bekannten Projekten.
Beginenhöfe
Ein Haus für alleinlebende und alleinerziehende Frauen – das bieten die Beginenhöfe. Die Idee entstand im 14. Jahrhundert in Amsterdam. Noch heute sind in den Niederlanden und Belgien etwa 30 historische Beginenhöfe, deren Wohnhäuser sich meist um Zier- und Gemüsegärten gruppieren, erhalten. In Deutschland entwickelten sich vor etwa 30 Jahren Beginenhöfe aus Frauengemeinschaften. Seit 2013 gibt es z.B. einen Beginenhof mit 27 barrierefreien Wohnungen in Köln-Widdersdorf. Sein Credo: „Individuelles Leben in einer Frauengemeinschaft.
Ökodorfer
Keine Waschmaschine, dafür Häuser aus Strohballen – die Bewohner:innen von Sieben Linden in Sachsen-Anhalt verringern ihren ökologischen Fußabdruck so stark wie möglich. 100 Erwachsene sowie 40 Kinder und Jugendliche leben gemeinsam im wohl bekanntesten Ökodorf Deutschlands, das 1997 entstand. Seitdem haben sich viele Besucher:innen in den dortigen Seminaren über die Idee informiert, um sie weiterzutragen.
Mietshäuser Syndikat
„Die Häuser denen, die drin wohnen“ lautet das Motto des Syndikatsmodells. Die 174 Hausprojekte unter dem Dach des Mietshäuser Syndikats sind selbstorganisiert. Der Clou: Der Hausverkauf ist für alle Zeiten ausgeschlossen, eine Immobilie kann also nicht zum Spekulationsobjekt werden. So soll sozialer und bezahlbarer Wohnraum erhalten bleiben. Um das zu gewährleisten, gründen alle Hausvereine eine Haus-GmbH, an der das Mietshäuser Syndikat beteiligt ist. Es entsteht kollektives Eigentum, die Bewohner:innen zahlen Miete. Größte Herausforderung ist, bezahlbare Häuser zu finden. Denn auch wenn der spätere Hausverkauf unmöglich ist, lässt sich an den aktuellen Immobilienpreisen wenig ändern. Dennoch hat das Syndikat z.B. im Rhein-Main-Gebiet bereits zehn Projekte realisiert.
Tiny-House-Siedlungen
Wenig Platz, viel Freiheit – so lässt sich das Leben in Mini-Häusern zusammenfassen. Für Familien ist das Wohnen im Zirkuswagen oder in der rollbaren Holzhütte sehr beengt. Für sie eignen sich Tiny-House-Siedlungen mit Gemeinschaftseinrichtungen wie Waschräumen und Küchen, die z.B. auf ehemaligen Campingplätzen zunehmend entstehen. Ein Tiny-Dorf ist zurzeit im südhessischen Trebur geplant. Der Tiny-House-Verband vermittelt Probewohnen.