@Kretschmer Fotografie
Sechs Monate nach der Geburt
Seit über einem halben Jahr bin ich eine Mama. All das, worauf ich mich vor der Schwangerschaft so sehr gefreut habe, ist mittlerweile ein Teil meines Lebens. Es ist verrückt, zurückzudenken an die Frau, die ich noch vor etwa 15 Monaten gewesen bin. Damals war ich noch nicht schwanger und selbst die Entscheidung, dass mein Mann und ich es gerne versuchen würden, war noch nicht getroffen. Ich war einfach eine junge Frau auf ihrem Weg. Mit frisch abgeschlossenem Kunststudium lebte ich zu der Zeit gemeinsam mit meinem Mann und meinem Kater in einer Wohnung in Köln und befand mich vor allem auf der Suche nach beruflicher und kreativer Erfüllung.
Bei einem Campingurlaub ohne Strom in den Dünen von Texel kam dann plötzlich das Gefühl auf, dass es nie einen besseren Zeitpunkt gegeben hatte, ein Kind in diese Welt zu setzen. Skurriler Weise war zu jener Zeit die Welt, nicht nur durch die Corona-Pandemie, verrückter und beängstigender für uns als jemals zuvor, aber die Entscheidung fühlte sich richtig an.
Schwangerschaftswoche 5
Ziemlich genau einen Monat nach unserem Urlaub kauft mein Mann einen Schwangerschaftstest. Meine Periode ist ein paar Tage überfällig und wir finden beide, dass meine Brüste größer geworden sind. Eigentlich sind wir uns sicher, dass ich schwanger sein MUSS, aber wir wollen es schwarz auf weiß.
In der Nacht träume ich davon, nicht genug Urin zu haben, um fünf Sekunden lang auf den Test zu pinkeln, und wir noch einen weiteren Tag warten müssen. Mein Mann träumt währenddessen von Zwillingen.
Am nächsten Morgen laufen wir gemeinsam ins Bad (mein Urin hätte für mindestens drei Tests gereicht), wir warten uuund: Ich bin schwanger!
Jetzt ist offiziell. Nils und ich, wir werden Eltern.
Schwangerschaftswoche 12
Ich weiß schon jetzt nicht mehr, wann wir die Namen für unser Baby eigentlich festgelegt haben. Ich glaube, es war nicht einmal eine Diskussion, sondern eher ein Gespräch von etwa fünf Minuten. Schon vor der Schwangerschaft hatten wir oft über mögliche Namen für unsere Kinder in ferner Zukunft gesprochen. Also legten wir es einfach fest, ohne auch nur in einem einzigen Namensbuch zu blättern. Es würde ein Ole oder eine Alva werden. Je nachdem.
Nun sitze ich auf unserer Couch und suche vergeblich nach Meditationen, bei denen man sich mit dem Baby im Bauch verbinden und mit ihm Kontakt aufnehmen kann, aber ich finde einfach nichts Passendes. Da schließe ich die Augen und spüre in mich hinein.
„Hallo, du“, sage ich und komme mir ein bisschen bescheuert vor. Ich würde das Kleine gern beim Namen nennen, aber kenne das Geschlecht noch nicht.
„Bist du Alva?“, frage ich also. Nichts. Natürlich nicht, was hatte ich denn erwartet? „Oder bist du Ole?“, frage ich trotzdem und ich kann es nicht anders beschreiben: In meinem Bauch fängt es plötzlich ganz aufgeregt an zu kribbeln. „Hallo, Ole“, sage ich und auch wenn ich noch nicht weiß, ob mein Gefühl mich trügt oder nicht, so bleibt es doch einer dieser magischen Momente, in denen ich mein Glück nicht fassen kann. Ich bin schwanger und darf all das tatsächlich erleben.
Schwangerschaftswoche 23
Wenn ich an Weihnachten 2020 denke, dann denke ich natürlich an Abstand, Mundschutz und Lockdown, an viele Ängste und Fragezeichen. Ich denke aber vor allem an das schönste und entspannteste Weihnachtsfest, das ich in meinem Erwachsenenleben bisher erlebt habe. Ich denke an das Kind in meinem Bauch, das fröhlich strampelt und Schluckauf hat und an all die Hände, die es in den Weihnachtstagen zum ersten Mal fühlen können. Es ist verrückt, wie präsent unser Baby jetzt schon ist und wie viele Menschen es gibt, die es nicht abwarten können, es endlich kennenzulernen. Es war ein Weihnachten, an dem ich vieles einfach so sein gelassen habe, wie es eben ist. Geschenke ohne Schleifen, Crème Brûlée ohne Zucker, eine Weihnachtskarte mit falschem Foto und Essen ohne schlechtes Gewissen. Vieles war nicht so perfekt, wie es ein Teil von mir gern gehabt hätte, aber gerade dadurch, dass ich losgelassen habe, war ich überhaupt bereit für all die großen und kleinen Wunder. Für Tränen bei der Geschenkübergabe, wühlen in Müllsäcken voll Babyklamotten und ein Ultraschallbild mit dem Namen “Ole” darauf.