Seit über 40 Jahren begleitet die Sendung „Löwenzahn“ kleine – und auch große – Zuschauer:innen und erklärt ihnen die Welt. Am 26. Februar feiern zwei brandneue Folgen ihre Premiere im ZDF. Auch in der ZDF-Mediathek sind diese neuen Folgen zu sehen – wie auch die „Löwenzahn Classics“. Passend zu diesem „Löwenzahn“-Tag haben wir mit Margrit Lenssen gesprochen. Sie ist leitende Redakteurin bei „Löwenzahn“.
KUCKUCK: Frau Lenssen, wie lange machen Sie die Sendung schon?
Margrit Lenssen: Ich bin tatsächlich ziemlich genau vor 30 Jahren dazu gekommen. Ich hatte vorher in der Redaktion meine Hospitanz gemacht, habe woanders gearbeitet, bin zur Uni gegangen, habe Kinder bekommen. Dann wollte ich bei etwas mitarbeiten, das ich ein bisschen besser mit der Familie verknüpfen kann. Ich durfte dann auch schon ziemlich bald in die Sendungsmache einsteigen. Ich glaube, die allererste Sendung, die ich selbst gemacht habe, war die Sendung über die Steinzeit.
Würden Sie sagen, dass Kinderfernsehen heutzutage besser ist?
Es ist wesentlich vielfältiger und zum Glück auch diverser geworden. Aber es ist ja auch immer eine Reflexion auf das, was gerade Zeitgeist ist – so wie die „Rappelkiste“ die Reflexion auf die 68er war. Im Laufe der Jahre haben sich die Sendungen dann auch den technischen Entwicklungen angepasst. Und die Kinder haben sich ebenfalls angepasst. Sie haben heute eine andere Art von Aufmerksamkeit. Deswegen hat sich „Löwenzahn“ natürlich auch geändert, von Peter Lustig-Zeiten bis heute. Wenn ich die alten Sendungen sehe, dann muss ich selber darüber lachen, wie langsam wir manche Sachen erzählt haben. Das würde man heute keinem Kind mehr zumuten, das würde sofort wegzappen. Aber unsere Geduld beim Erklären ist gleichgeblieben. Das zieht sich durch die Jahre. Nur die Medien sind anders geworden.
Was könnte sich in Zukunft noch ändern?
Ich denke, wir werden uns auf anderen Plattformen wiederfinden. Aber das Wichtige – und ich glaube, das wird sich nicht ändern – sind die Inhalte. Ob ich jetzt auf dem Bildschirm etwas von Netflix sehe, auf Amazon Prime oder im ZDF, Kinder unterscheiden das nicht. Das wissen wir aus Untersuchungen. Woher das kommt, was auf dem Bildschirm läuft, ist denen ziemlich egal. Die Inhalte sind das, was anzieht. Ich glaube, das ist auch unsere Chance für „Löwenzahn“. Die Sendung wird 43 Jahre alt und wir freuen uns total, dass sie immer noch so gut funktioniert. Wir haben sehr, sehr hohe Zugriffe online und auch on On-Air funktioniert es nach wie vor.
© ZDF/Zia Ziarno
Fritz Fuchs und David wollen dem Kranichranger Felix helfen, eine Kranichstation zu retten.
Woran, glauben Sie, liegt das?
Es geht um das Gefühl. Wir haben jemanden, der auf eine gewisse Art Grundbedürfnisse von Kindern erfüllt – man möchte sicher sein, man möchte geborgen sein, man möchte die Welt erklärt haben und man möchte keine Angst haben. Das hatte gerade auch in der Pandemie Bedeutung. Kinder haben uns in vergangenen in Untersuchungen gesagt: Auch wenn’s ganz spannend ist bei Fritz Fuchs muss ich keine Angst haben, denn Fritz Fuchs ist ja dabei und am Schluss scheint immer die Sonne. Dabei scheint in unseren Sendungen die Sonne gar nicht immer. Das fand ich ein Riesenkompliment. Sie haben das Gefühl, ich kann sicher sein und es ist mir vertraut. Ich finde das ganz wichtig und das ist, glaube ich, das Erfolgskonzept- und Rezept von „Löwenzahn“. Das wird uns, egal auf welcher Plattform, weiterbegleiten.
Es gibt heute viele Wissensendungen für Kinder, die Löwenzahn ähneln. Ich denke da an „Anna und die wilden Tiere“ oder „Checker Tobi“.
Da muss ich widersprechen. Es gibt viele supergute Formate – „Die Sendung mit der Maus“, „Checker Tobi“ und noch mehr. Die sind auch beliebt und ich finde sie auch sehr, sehr gut. Aber „Löwenzahn“ ist die einzige Sendung, die Wissen in Geschichten verpackt. Wir haben ein ganz anderes Konzept. Wir haben einen ganz großen fiktionalen Anteil. Drei Viertel der Folge ist fiktional und nur ein Viertel ist non-fiktional. Wir haben damit eine andere Erzählweise der Geschichten. Das Wissen in Geschichten zu verpacken ist unser Markenkern.
Dann lassen wir „Löwenzahn“ für den Moment außen vor und schauen allgemein auf die Kinderfernsehlandschaft. Konkurrieren Wissensformate wie „Anna und die wilden Tiere“ oder „Checker Tobi“ miteinander oder ist es gut, dass es so viele Sendungen gibt?
Ich finde es super. Jedes Format hat eine andere Erzählweise. „Checker Tobi“ berührt zum Beispiel andere Sachen als „Anna und die wilden Tiere“, als „Löwenzahn“ oder als „Die Sendung mit der Maus“. Ich finde, alle Formate haben eine Berechtigung und treffen auch bei verschiedenen Kindern einen anderen Nerv. Vielleicht mögen manche gar nicht die Geschichten, die wir erzählen, und finden sich viel lieber bei „Checker Tobi“ wieder. Jedes Kind kann sich aussuchen, was ihm am besten gefällt. Das ist auch ein Unterschied zu früherem Kinderfernsehen: die riesige Auswahl.
© ZDF/Zia Ziarno
Fritz und Keks ermitteln in einem Einbruchsfall.
Was macht eine gute Kindersendung für Sie aus? Können Sie da vielleicht vier Dinge nennen?
Das muss ich jetzt natürlich runterbrechen: Man muss emotional berühren und bei den Kindern an etwas andocken, auch bei Sendungsformaten wie Magazinen. Das klappt gut mit Humor. Wer lacht, kann sich entspannen und kann Vieles aufnehmen. Der Humor muss natürlich altersgerecht sein. Als drittes vielleicht mehrere Sachen: Dass Kinder merken, sie werden respektiert und nicht veräppelt. Dass es eine Orientierung für sie gibt. Dass sie in dieser wahnsinnig großen, wilden und – kann man ja zurzeit sagen – auch bedrohlichen Welt einen sicheren Raum haben. Also, wenn man so will, sind es Orientierung, respektvolles Unterhalten, emotionales Andocken und ihre Neugier auf die Welt befriedigen.
Kommen wir nochmal zurück zu „Löwenzahn“. Wie suchen Sie denn die Themen für eine Sendung aus?
Auf ganz vielen Wegen. „Löwenzahn“ ist eine Auftragsproduktion, die in Berlin gemacht wird, und wir beauftragen Autor:innen, die Storys schreiben. Aber wir sind immer ganz eng in die Entwicklung verknüpft. Jede Autorin, jeder Autor kann ein Thema beitragen. Uns schreiben auch viele Kinder und schlagen Themen vor oder sie haben Fragen wie „Können Schiffe rückwärtsfahren“ oder „Warum geben Kühe weiße Milch, obwohl sie grünes Gras fressen?“. Wir beantworten dann nicht nur eine einzige Frage, sondern machen daraus das Thema Kuh oder Schiffe. Wir haben ganz viele Themen auch doppelt, weil man sie heute anders beleuchtet als vor dreißig Jahren. Wir suchen uns auch immer wieder Dinge aus, die uns wichtig sind, zum Beispiel Diversität. Wir haben auch eine Sendung zum Thema Toleranz gemacht und eine Doppelfolge zu Indigenen, um auch mal zu beleuchten, dass es viele verschiedene Völker gibt, die in der Vergangenheit viel Leid erfahren haben, und wie der Zustand heute ist. Es ist uns total wichtig, diese Themen immer mehr in den „Löwenzahn“-Kosmos zu bringen. Auch technische und Umwelt-Themen bereiten wir immer wieder neu auf, zum ökologischen Fußabdruck, zu alternativen Energien und so weiter. Das ist schon seit 40 Jahren der Schwerpunkt von Löwenzahn und wie man sieht, hat er nichts von Relevanz verloren.
Zu welchem Thema würden Sie denn gerne mal eine Sendung machen? Haben Sie da ein Herzensthema?
Ein Herzens-Thema war tatsächlich letztes Jahr „Die Indigenen“. Ich finde alle Themen wichtig, die die Redewendung von „gut leben statt viel haben“ berühren, und da würde ich auch noch mehr Sendungen zu machen wollen. Da gibt es so viele Aspekte und wir merken in Befragungen mit Kindern, dass ihnen Naturthemen und der Erhalt der Natur so wahnsinnig wichtig sind. Es ist ihre Zukunft. Deswegen, denke ich, haben wir alle die Verpflichtung, das ernst zu nehmen, ganz viele Aspekte davon zu beleuchten und immer in einer hoffnungsmachenden Art.
© ZDF/Andrea Hansen Fotografie
Fritz Fuchs hat sich einen Farn-Tarnanzug genäht, um im Wald ein geheimnisvolles Phantom aufzuspüren.
Haben Sie, wenn Sie eine Sendung schreiben, eigentlich auch die Eltern ein bisschen im Blick, die mitschauen?
„Löwenzahn“ ist für Grundschulkinder gemacht, ist aber auch schon immer ein Familienprogramm. Ich bin der Meinung, wenn es gut gemacht ist für Kinder, finden es auch Erwachsene gut. Das merken wir auch an unseren Zahlen. Genauso wenig wie ältere Kinder sich nicht langweilen sollen, sollen sich Eltern auch nicht langweilen. Die Regie macht manchmal ganz gerne Anspielungen auf etwas, was eher eine erwachsene Person versteht. Mal so als Beispiel: Wir hatten eine Sendung über Lachen und da war eine Szene, in der sich Fritz Fuchs und Herr Kluthe gekabbelt haben und dann sagten sie „Nein!“, „Doch!“, „Ohh!“. Das ist bei Louis de Funès ‚geklaut‘. Sowas haben wir manchmal drin, weil wir wissen, dass ist ein kleiner Lacher für die Erwachsenen. Für die Kinder ist es auch irgendwie lustig, aber sie haben natürlich nicht diese Assoziation. Manchmal gibt es ein paar filmische Anspielungen, die Erwachsene verstehen, die fernseherfahren sind. Dann haben die auch noch mal so ein Schmankerl dabei. Aber da gucken wir, wie es sich ergibt.
Eine letzte Frage zum Kinderfernsehen allgemein: Muss Kinderfernsehen einen Lehrauftrag haben?
Das kommt drauf an, wie eng man Lernen definiert. Lernen wie schulisches Lernen: Nein, überhaupt nicht. Kinder haben das Recht, genau wie Erwachsene, sich einfach nur gut zu unterhalten. Ich glaube, man gibt Kindern aber immer etwas mit, das sie berührt und das für sie in ihrem Leben wichtig sein kann. Das kann eine Sendung, die rein unterhaltenden Charakter hat, genauso gut. Wenn die Kriterien, über die wir vorhin gesprochen haben – das Respektvolle und das man Kindern Orientierung gibt –, eingehalten werden, dann gibt man ihnen immer was mit. Die Botschaften, die wir immer drin haben, die ich auch bei vielen Kolleg:innen sehe, ist zum Beispiel, wie man tolerant mit anderen umgeht oder das man nicht unter die Gürtellinie schlägt. Das kann man in jeder Sendung vermitteln, von daher lernt man immer was.
Vielen Dank.