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Mehr-Lohn-fuer-Frauen
Gleicher Lohn für alle – das regelt das Gesetz über Gleichbehandlung am Arbeitsplatz seit 1980. Leider mehr schlecht als recht, denn Frauen verdienen heute immer noch 20 Prozent weniger als Männer. Bezogen aufs gesamte Berufsleben zeichnet sich ein noch dramatischeres Bild ab: Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung verdienen Männer in ihrem Leben durchschnittlich fast 1,5 Millionen Euro - Frauen kommen auf 830.000 Euro. Macht einen Lohnunterschied von 40 Prozent. Betroffen sind vor allem Mütter.
Die Corona-Krise samt höherer Kinderbetreuungszeiten, Kurzarbeit und Wegfall von Minijobs verschärft die Situation. Frauen sind also gezwungen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zwar bevor es mit Ende 60 ans Flaschensammeln geht. Zwei Expertinnen haben für Kuckuck Ursachenforschung betrieben und geben wertvolle Tipps, wie frau im Berufsleben mehr verdienen kann. Klar ist dabei vor allem eines: Wer wirklich höhere Zahlen auf seinem Gehaltskonto sehen will, muss seine Komfortzone verlassen.
Katrin Erb-Ruck ist Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit und befasst sich mit Frauenförderung, Gleichstellung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sibylle Kaminski ist systemischer Business- und Life Coach und Autorin des Buches „Der kleine Job-Coach“. Sie berät Menschen bei Stress, Konflikten oder Veränderungswünschen im Beruf und im Alltag. Gleichzeitig macht sie in Trainings Selbstständige sowie Arbeitnehmerinnen fit, damit sie in einer immer noch männlich geprägten Unternehmenskultur ihre Frau stehen können.
Altenpflegerinnen, Erzieherinnen oder Verkäuferinnen arbeiten in typisch weiblichen Branchen. Sie tun unersetzliche Arbeit, werden als systemrelevant beklatscht, ringen aber zugleich mit niedrigen Löhnen. „Wir sprechen hier von einer Gender Pay Gap von bis zu 40 Prozent“, sagt Job-Beraterin Sibylle Kaminski. Die schlechte Bezahlung in Frauenberufen sei historisch und gesellschaftlich bedingt.
Bis 1977 durften Frauen ohne die Erlaubnis ihres Mannes nicht arbeiten und wenn, dann standen ihnen meist nur bestimmte Berufe offen - eben jene, die auch heute noch weiblich dominiert sind. „Die Frau verdiente allenfalls etwas dazu und kümmerte sich ansonsten um Haus und Familie“, sagt Katrin Erb-Ruck von der Arbeitsagentur. Waschen, kochen, nähen, Kinder erziehen, die Oma pflegen, aufgeschlagene Knie verarzten... Das alles waren Frauenaufgaben. „Und da stellte sich die Frage, warum man hohe Löhne zahlen sollte, für etwas, was die Frauen zu Hause kostenlos erledigten.“
Zugleich hält sich aus früheren Zeiten hartnäckig das Gerücht, Frauen seien weniger leistungsfähig als Männer. Leider auch bei den Frauen selbst: „Die US-Autorin Soraya Chemaly beschreibt in ihrem Buch ‚Speak Out! Die Kraft weiblicher Wut‘, wie Zweifel an der eigenen Stärke und den eigenen Möglichkeiten schon bei Mädchen angelegt werden. Frauen mittleren Alters fanden in ihren Müttern und in den Medien keine starken Rollenvorbilder. Männer haben es dagegen wesentlich leichter, in die Fußstapfen ihrer erfolgreichen Väter, Onkeln oder Großvätern zu treten“, erklärt Kaminski.
Dabei haben Mädchen die besseren Schulabschlüsse und müssen sich überhaupt nicht verstecken, wie Erb-Ruck betont. Das gilt auch für die MINT-Fächer, Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Alles Fachbereiche, die auf dem Arbeitsmarkt gesucht und gut bezahlt sind.
„Es heißt, dass Mädchen in diesen Fächern schlechter sind als Jungen. Aber ist das wirklich so oder entsprechen die Schülerinnen hier nur einem alten Klischee?“,
fragt die Expertin für Chancengleichheit.
Tatsächlich schneiden Mädchen laut Pisa-Studie in Mathe schlechter ab. WissenschaftlerInnen gehen davon aus, dass sie unbewusst dahin erzogen werden. „Eine Mutter entschuldigte sich kürzlich, weil ihre Tochter gut in Mathe sei und meinte, das sei bestimmt nur eine Phase“, erzählt Erb-Ruck kopfschüttelnd. Viele Eltern könnten sich ihre Töchter nur schwer in einem technischen Beruf vorstellen. Diese Vorurteile führen dazu, dass sich Mädchen weniger zutrauen und schlechtere Leistungen erbringen.
Für die Berufswahl ist das durchaus relevant, denn hier wird die erste Weiche zu einem guten Gehalt gestellt. Mädchen, die das Gefühl haben, sie könnten Mathe und Physik nicht, entwickeln auch kein Interesse an entsprechenden gutbezahlten Branchen. „Es ist wichtig, das Spektrum bei der Berufswahl ganz weit aufzumachen und nicht nur die zehn klassischen Ausbildungsberufe in Betracht zu ziehen“, sagt Katrin Erb-Ruck. Kein Mädchen sollte sich von Männerberufen einschüchtern lassen.
Sich nicht einschüchtern lassen - darum geht es Sibylle Kaminski, wenn sie Frauen fit macht für Unternehmen, in denen das männliche Prinzip regiert. „Frauen bewegen sich gerne in Branchen, in denen es nicht so hart zugeht. Wer aber langfristig mehr Geld verdienen will, muss bereit sein, sich umzuorientieren. So erhält man die Chance, gutes Geld für seine Leistung zu erhalten“, ist sie sicher. Frauen brauchen Mut und Durchhaltevermögen, um sich in einer Männerdomäne zu etablieren.
„Es gibt moderne Unternehmen mit flachen Hierarchien und agilem Arbeiten. Aber in vielen Firmen herrscht noch das alte patriarchale Prinzip. Wenn ich dort Karriere machen möchte, dann muss ich die Spielregeln der Männer begreifen und mitspielen“, macht Sibylle Kaminski deutlich. Jungen lernen das schon beim Rangeln im Kindergarten und beginnen früh, sich zu messen, während Mädchen soziale und harmonische Spiele bevorzugen. „Dennoch können auch Frauen Gefallen an Schlagfertigkeit und Durchsetzung finden. Viele genießen es, mächtiger zu werden und gutes Geld zu verdienen. Auch wenn das bedeutet, nicht von allen gemocht zu werden“, so die Beraterin.
Ein gutes Selbstwertgefühl ist der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um Karriere und Gehälter geht.
„Frauen haben oft das Gefühl, nicht gut genug zu sein, alles perfekt machen zu müssen, mit anderen nicht mithalten zu können“,
sagt Kaminski. Das zeige sich schon bei der Stellensuche. „Wenn Frauen eine Stellenausschreibung lesen und nur zehn Prozent der geforderten Qualifikationen nicht mitbringen, überlegen sie, ob sie sich überhaupt bewerben sollen. Werden sie dann zum Gespräch eingeladen, sind sie dankbar und akzeptieren aus diesem Gefühl heraus zu schnell ein niedrigeres Gehalt.“ Männer gehen meist selbstbewusster in Vorstellungsgespräche und handeln neben einem guten Nettogehalt auch Bonusleistungen aus.
„Wer sich auf eine Führungsposition in einem klassischen Unternehmen bewirbt, sollte Firmenwagen, Firmenhandy und Boni gleich mitverhandeln. Nur so werden Sie ernst genommen.“
Auch flexible Arbeitszeit- und Homeofficemodelle, Kinderbetreuung oder Sport- und Gesundheitsangebote spielen eine wichtige Rolle. „Gerade kleine, familienfreundliche Unternehmen beweisen hier viel Kreativität“, weiß Katrin Erb-Ruck. Am Ende zählt das Gesamtpaket.
Kinderbetreuung ist ein großes Thema, wenn es um Lohngerechtigkeit geht. Denn sobald Kinder da sind, wählen auch viele fortschrittliche Paare die klassische Arbeitsaufteilung. Es sind überwiegend Mütter, die in Teilzeit- oder in Minijobs arbeiten, Pausenbrote schmieren, mit den Kindern zum Arzt fahren oder in Lockdown-Zeiten für das Homeschooling zuständig sind. Währenddessen entwickeln sich Männer beruflich weiter. Nicht wenige Väter arbeiten auch mehr als sie wollen. „Beide Seiten geraten in Schubladen, die ihnen nicht gerecht werden“, gibt Katrin Erb-Ruck zu bedenken. Deshalb sei es wichtig, schon vor dem ersten Kind zu klären, wer in der Familienphase welche Aufgaben übernimmt, und welche Konsequenzen das mit sich bringen könnte.
Frauen, die aus der Elternzeit zurück auf den Arbeitsmarkt kommen oder sich jenseits von Familie einfach besser aufstellen möchten, brauchen Selbstbewusstsein, Kompetenzen und ein gutes Netzwerk. „Das alles lässt sich erlernen und aufbauen“, ist sich Sibylle Kaminski sicher. „Ein Coaching hilft, schwächende Glaubenssätze zu überwinden und seine innere Stärke zu finden. Durchsetzungs- und Schlagfertigkeitstrainings, Konfliktmanagement und Kommunikationskurse schulen das sichere Auftreten und gehören mittlerweile zum Programm der meisten Bildungshäuser.“
Die berufliche Fortbildung für Frauen ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum höheren Gehaltscheck. Am Anfang steht eine ehrliche Bestandsaufnahme. Wie ist meine Lebenssituation? Was bringe ich mit? Wo liegen meine Stärken und wo will ich beruflich hin? Je nach Bedarf, gibt es auch bei der Arbeitsagentur einen riesigen Katalog an Beratung und Weiterbildung. Vom fachlichen Update nach der Elternzeit, über Bewerbungstrainings und Tipps zur strategischen Stellensuche, bis hin zu umfangreichen Qualifizierungsmaßnahmen oder Umschulungen. Junge Mütter ohne Berufsabschluss, haben die Möglichkeit, eine Ausbildung in Teilzeit zu machen.
Für manche Frauen ist auch die Selbstständigkeit eine gute Option. Da gibt es viel Unterstützung durch Netzwerke und Gründungsberaterinnen: „Frauen gründen anders als Männer. Sie starten langsamer, halten sich aber oft länger am Markt“, ist die positive Erfahrung von Sibylle Kaminski. Hilfe und Unterstützung bei Fachleuten suchen, sich zusammenschließen und einander mit Knowhow, Infos und Beratung zur Seite stehen: Das alles sind wichtige Aspekte, wenn man sich beruflich entwickeln will.
Das gilt auch für all jene, die in Niedriglohnbranchen arbeiten und dort auch bleiben möchten. Wer sich ungerecht bezahlt fühlt, kann sich bei Berufsverbänden und Gewerkschaften nach den gängigen Lohnstrukturen erkundigen und das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen. „Wo sich Kolleginnen zusammentun, haben sie eine bessere Ausgangsposition. In der Gemeinschaft ist man immer stärker“, sagt Kaminski. Auch Betriebsrat und Mitarbeitervertretungen sind wichtige Anlaufstellen. Dort kann man sich – ebenso, wie in der Politik oder in Lobbyverbänden – auch selbst engagieren und das Thema voranbringen. Wer etwas bewegen will, muss sich selbst bewegen.
„Frauen, die langfristig mehr Geld verdienen möchten, müssen die rosa Brile absetzen und etwas dafür tun“,
macht Katrin Erb-Ruck deutlich. Für Teilzeitkräfte oder Minijobberinnen mit älteren Kindern bedeutet das, Stunden aufstocken oder sich weiterqualifizieren. Eine Friseurin kann sich zur Büromanagerin umschulen lassen, Pflegekräfte eine Fortbildung zur Praxisanleiterin machen und Migrantinnen Sprachkurse absolvieren und Abschlüsse nachholen. Die Coronakrise schränkt Bildungsangebote derzeit ein. Aber Frauen können die Zeit nutzen, um sich über ihre Ziele klarzuwerden und dann durchzustarten, wenn es wieder möglich ist.
Weiterführende Links
- Weitere Angebote und Infos zum Thema Chancengleichheit der Bundesagentur für Arbeit www.arbeitsagentur.de/chancengleichheit-frauen-maenner
- Infos zu verschiedensten Berufsfeldern und passenden Qualifikationen, www.berufenet.arbeitsagentur.de
- Portal rund um Bewerbungen und Berufsprofile, www.karrierebibel.de
- Berufsverbände in Deutschland, www.verbaende.com/adressen/linkliste_verbaende.php
- Perspektive Wiedereinstieg, www.perspektive-wiedereinstieg.de/
- Netzwerke(n) für den qualifizierten Wiedereinstieg, www.zfbt.de
- Portal für Existenzgründerinnen, www.existenzgruenderinnen.de