Während einer Schwangerschaft und einer Geburt erbringt der weibliche Körper Höchstleistungen. Danach heißt es: vorsichtig an den Sport wieder herantasten. Worauf Mütter achten sollten.
Um zu verstehen, welcher Sport nach der Geburt für euch richtig ist, benötigt ihr anatomisches Hintergrundwissen. Wie hat sich der Körper durch die großen Ereignisse Schwangerschaft und Geburt verändert? Die zentralen Bereiche, um die es geht, sind der Beckenboden und die Bauchmuskulatur.
Ein belasteter Beckenboden und eine Rektusdiastase
Der Beckenboden ist eine Muskelplatte, die den Bauch- und Beckenraum nach unten hin abschließt. Er umfasst auch die Schließmuskeln von Blase und Darm – und sorgt damit dafür, dass wir diese kontrollieren können. Der Beckenboden stützt die inneren Organe und ermöglicht uns eine aufrechte Haltung. Liefe der Mensch noch auf allen Vieren, dann hätte es unser Beckenboden deutlich leichter. Mit dem aufrechten Gang allerdings muss er dank der Schwerkraft einiges stützen – vor allem in einer Schwangerschaft. Je größer und schwerer das Kind wird, desto mehr Last muss der Beckenboden tragen.
Um dem Baby Platz zu geben, weichen zudem die geraden Bauchmuskeln in der Schwangerschaft auseinander. Es entsteht eine Bauchspalte unterhalb des Bauchnabels, die sogenannte Rektusdiastase. Wer eine Rektusdiastase hat, kann sie in Rückenlage selbst ertasten oder von der Hebamme im Rahmen einer kurzen Untersuchung ermitteln lassen.
Rückbildung – und dann?
Dass Mütter sechs bis acht Wochen nach einer natürlichen Geburt und acht bis zwölf Wochen nach einem Kaiserschnitt einen von der Krankenkasse zertifizierten und bezahlten Rückbildungskurs absolvieren sollten, erfahren sie spätestens in einem Informationsgespräch mit ihrer Hebamme. Durch spezielle, sanfte Übungen lernen die Teilnehmerinnen, ihren überdehnten Beckenboden wieder zu kräftigen und an dem Verschluss ihrer Rektusdiastase zu arbeiten. Hinweis: Übungen wie Sit-Up’s und Crunches sind mit einer Bauchspalte absolut tabu, da dabei die inneren Organe durch die Spalte nach außen drücken und die Rektusdiastase noch verschlimmert wird.
Doch wie geht es weiter, wenn der Rückbildungskurs abgeschlossen ist? Nur in wenigen Fällen ist der Körper dann bereits wieder in der alten Form. Der Beckenboden ist womöglich immer noch geschwächt, die Bauchspalte noch nicht ganz geschlossen. „Diese Phase muss man selbst in die Hand nehmen“, sagt Marion Sulprizio vom Arbeitskreis „Sport und Schwangerschaft“ der Deutschen Sporthochschule Köln. Die Diplom-Sportpsychologin empfiehlt, die Übungen aus dem Rückbildungskurs zu Hause weiter fortzuführen und am besten ein Aufbautraining zu absolvieren – auch wenn dieses erfahrungsgemäß von den Krankenkassen nicht finanziert wird.
Der Einstieg in den Sport verläuft individuell
Doch wann und wie können Mütter wieder richtig in den Sport einsteigen? „Die Antwort darauf ist ganz individuell und hängt davon ab, wie die Geburt verlaufen ist“, betont Sulprizio. Bei einem Kaiserschnitt zum Beispiel dauert die Phase der körperlichen Erholung oft länger als nach einer natürlichen Geburt. „Am besten bleiben Frauen eng mit der Hebamme in Kontakt, weil sie bezogen auf den Beckenboden und die Bauchmuskulatur Feedback geben kann“, rät die Sportpsychologin. Eine grobe Faustregel: Neun Monate kommt das Baby, neun Monate muss es gehen – individuelle Abweichungen eingeschlossen!
Welche Sportarten sind geeignet?
In der ersten Zeit nach dem Rückbildungstraining eignen sich Sportarten, die auch während einer Schwangerschaft empfohlen werden: Fahrradfahren, Wandern, Nordic Walking oder mit dem Baby-Buggy stramm durch Wald und Park gehen. Schwimmen und Wassergymnastik sind gelenkschonend und unter der Voraussetzung, dass alle Narben verheilt sind, ideal. Von Sportarten, die Sprünge erfordern, rät Sulprizio nach einer Entbindung zunächst ab. Beim Springen muss der Beckenboden dagegenhalten und wird somit besonders belastet. Wer hier zu früh wieder zu viel Druck ausübt, riskiert Inkontinenz, vor allem in den Wechseljahren, wenn altersbedingte Erschlaffungsprozesse einsetzen. „Aus Sicht der Prävention ist es deshalb wichtig, auf den Beckenboden zu achten“, weiß Sulprizio. Also lieber erst einmal auf Volleyball, Handball, Basketball oder Trampolintraining verzichten. Spätestens, wenn der Körper Signale von Überforderung sendet wie Schmerzen, Blutungen oder das Verlieren von Urin, heißt es: Stopp!
Joggen: für die einen ja, für die anderen nein!
Häufig in der Diskussion, wenn es um Sport nach der Entbindung geht, ist Joggen. Wann dürfen Frauen nach einer Geburt wieder joggen? Oder sollten sie es lieber ganz sein lassen? Dazu Sulprizio: „Die Frage ist: Wie gut kann ich joggen? Bei einer erfahrenen Joggerin, die bereits vor der Schwangerschaft einen guten Laufstil hatte, sage ich: ja!“. Ausschlaggebend ist hier ein ökonomischer Laufstil: Wer die Füße gut abrollt und eine gute Beinhaltung beim Joggen wahrt, belastet seinen Beckenboden weniger und kann drei bis vier Monate nach einer natürlichen Geburt wieder einsteigen. „Doch in der Schwangerschaft oder kurz nach einer Geburt mit dem Joggen anzufangen, ist keine gute Idee“, so Sulprizio.
Wichtig ist somit, dass ihr ehrlich zu euch selbst seid und gewissenhaft prüft, wie fit ihr seid. Dazu gehört, dass Mütter ihren Körper kennen und verstehen lernen, auf körperliche Signale achten und wirklich hinhören. Dabei hilft auch Erfahrungswissen. „Manche Frauen sind nach der zweiten Geburt fitter als nach der ersten“, weiß Sulprizio. „Durch die Erfahrung wissen sie, wie sie an dem Beckenboden und den Bauchmuskeln ziehen.“ Was der Beckenboden ist, wie sie ihn spüren und bewusst anspannen können, lernen viele Frauen erst nach einer Geburt in ihrem ersten Rückbildungskurs.
Yoga – gut für Körper und Geist
Dabei ist falscher Ehrgeiz fehl am Platz. Vielmehr geht es darum, die körperlichen Veränderungen zunächst einmal zu akzeptieren. Erlaubt es eurem Körper, nicht mehr in der alten Form zu sein, denn er hat Großes geleistet. Um eine gesunde Einstellung zum eigenen Körper zu entwickeln, kann Yoga hilfreich sein. Mit Yoga steigern Menschen aller Altersgruppen ihre Beweglichkeit sowie Muskelkraft und üben sich in einer achtsamen Haltung dem eigenen Körper gegenüber: Perfektionismus loslassen, die eigenen körperlichen Grenzen akzeptieren, um in einem gesunden Maße die Komfortzone zu verlassen und sich langsam zu steigern.