©Kretschmer Fotografie
Seit über fünf Monaten bin ich eine Mama. Ich habe mein Baby geboren – Mann, klingt das nicht irre – es unzählige Stunden in meinen Armen gehalten, es gewickelt, angesehen, getröstet und endlich so richtig kennenlernen können – All das, worauf ich mich in der Schwangerschaft so sehr gefreut habe, obwohl ich es mir gleichzeitig nie so richtig vorstellen konnte.
Für diesen Beitrag habe ich in meinen Tagebüchern und Fotos gestöbert und mich an meine Schwangerschaft zurückerinnert, die mir schon so weit weg erscheint – wie zur Hölle hat dieses mittlerweile über 70 Zentimeter lange Baby, das gerade auf meinem Schoß schläft, jemals in mich hinein gepasst – obwohl ich mich gleichzeitig noch in jede einzelne Sekunde hineinversetzen kann, als wäre es erst gestern gewesen.
Über das erste Trimester meiner Schwangerschaft habe ich bereits geschrieben, als ich noch schwanger war. In diesem Text geht es nun um das zweite Trimester und schon ganz bald um mein letztes Trimester, die Geburt und die erste Zeit mit Baby. Ich nehme euch mit in die Geschichte vom Beginn des Lebens meines ersten Kindes und meinem Startschuss in ein Leben als Mutter.
Was bisher geschah
Nun ja, das Offensichtliche zuerst: Ich bin schwanger. Der Test sagt es, die Frauenärztin auch und obwohl ich all die körperlichen Symptome, über die Schwangere so klagen, insgeheim nur für Klischees gehalten habe, ist natürlich etwas Wahres dran. Es klingt verrückt, aber es gab Tage, an denen KONNTE ich nichts anderes essen als Pommes oder weißes Toastbrot mit Butter. Mein Mann Nils und ich haben die frohe Botschaft unseren Familien und engsten Freunden noch vor dem ersten Frauenarzttermin erzählt. Dank des guten Rats meiner Schwägerin habe ich mich rechtzeitig nach einer Hebamme umgesehen und beim ersten Kennenlernen ein gutes Gefühl gehabt. Wir haben schon einen Namen für jedes Geschlecht, wissen aber noch nicht, was es wird – auch wenn ich glaube, dass es ein Junge ist, der da in meinem Bauch von einem Zellhaufen auf die Größe einer Limette herangewachsen ist und meinen Körper für sein schnelles Wachstum so sehr beansprucht, dass ich mich nicht selten müde, schwindelig und kurzatmig fühle.
Schwangerschaftswoche 13 (15. - 21. Oktober)
Ich habe oft gehört, dass das zweite Trimester das schönste sein soll. „Warte mal, bis du ins zweite kommst“, sagten viele Mütter zu mir. „Dann ist die Übelkeit und Müdigkeit weg, du siehst endlich schwanger aus, aber dein Bauch ist auch noch nicht so groß, dass es anstrengend wird und du dich wieder schonen solltest.“ Als ob man sowas wie Übelkeit und Gelüste in Wochen abmessen kann, habe ich gedacht. Das ist doch bestimmt bei jeder Frau anders, habe ich gedacht. Ist es sicherlich auch. Aber was soll ich sagen: Mit dem Wechsel vom ersten ins zweite Trimester fühle ich mich auf den Tag genau schlagartig besser. Die Übelkeit und Lust auf Pommes – weg. Ich mag mein geliebtes Müsli wieder und verspüre den Drang, wieder Sport zu machen. Und ich merke schnell: Sport hilft gegen fast alles. Ich befinde mich in einer Aufwärtsspirale. Dazu kommt, dass mein Bauch innerhalb von drei Tagen zu einem Babybauch explodiert. Endlich kann man sehen, dass ich schwanger und nicht einfach nur dick geworden bin! Also gehe ich shoppen. Noch ein Glücksgefühl: Shoppen in der Schwangerschaftsabteilung ist so viel einfacher. Es gibt nur wenig Auswahl und irgendwie sieht fast alles einfach gut aus – betont den Bauch. Yes. Ab sofort trage ich nun also Schwangerschaftsoberteile, Still-BHs und diese fantastischen Hosen mit dehnbarem Bündchen bis unters Kinn, die ich am liebsten nie mehr gegen normale Jeans tauschen würde.
Schwangerschaftswoche 14 (22. - 28. Oktober)
Es ist Oktober und ich höre Weihnachtsmusik rauf und runter – das ist selbst für mich so früh wie nie zuvor. Ich liebe alles, was nach Zimt oder Tannennadeln, Kerzen oder sonst irgendwie weihnachtlich riecht. Bei der Arbeit merke ich genau, dass mir alle als erstes auf den Bauch sehen, aber noch traut sich niemand, mich darauf anzusprechen. Noch vor zwei Wochen hätte ich anschließend heulend vor dem Spiegel gestanden, weil ich selbst gefunden hätte, dass ich einfach nur dick aussehe – aber jetzt hebe ich den Kopf und strecke den Bauch vielleicht noch ein kleines bisschen mehr heraus. Ich liebe meinen Bauch!
In dieser Woche haben wir zudem unseren ersten richtigen Vorsorgetermin bei unserer Hebamme Anke Kubbernuß. „Ich versuche jetzt mal den Herzschlag zu finden“, sagt sie. „Aber wundert euch nicht, wenn ich ihn nicht sofort oder auch gar nicht finde. Eurem Baby geht es gut. Das Herz ist einfach noch sehr klein und kann sich gut verstecken.“ Okay, denken wir, also Ruhe bewahren, egal was jetzt passiert. Anke beginnt mit dem abhören. „Das ist dein Puls“, sagt sie. Wir hören ein langsames Pochen und … . „Na, da will sich aber jemand zeigen.“ Zum ersten Mal hören wir den Herzschlag unseres Kindes. Er geht um ein Vielfaches schneller als meiner. „Es hat ein unglaublich starkes und kräftiges Herz für diese Woche“, das ist das Fazit. Unser Baby. Mann, sind wir glücklich.
Nach einem heftigen Streit und dem Hadern mit einem Projekt, an dem ich gemeinsam mit meinem Mann arbeite, ist er es, der die Worte ausspricht, die meinen beruflichen Weg maßgeblich beeinflussen werden: „Kann es sein, dass du einfach nur malen willst und nur Schiss hast, das zu deinem Beruf zu machen?“ Bäm. Das sitzt. Aber wie Recht er hat. Ich bin mir sicher, dass ich diese Frage zu jedem anderen Zeitpunkt in meinem Leben verneint hätte. Aber dieses tiefe Vertrauen und die Sicherheit, die von dem kleinen Wesen in meinem Bauch ausgehen, bringen mich dazu, ihm zuzustimmen. Ich will illustrieren. Es klingt banal, aber für mich endet an diesem Tag eine Suche, auf die ich mich vor etwa acht Jahren begeben habe. Schon jetzt bringt mich mein Kind dazu, wirklich MEINS zu machen. Zum ersten Mal seit Langem habe ich das Gefühl, so richtig auf meinem Weg zu sein.
SSW 15 ( 29. Oktober - 4. November)
Eigentlich sind wir seit über einem Jahr auf Wohnungssuche. Aber da wir noch nichts gefunden haben und ich nicht hochschwanger umziehen will, beschließen wir, es uns stattdessen in unserem jetzigen Zuhause so gemütlich wie möglich zu machen. Ich freue mich darauf, alles für unser Baby herzurichten. Als Nils allerdings die ersten Möbel verstellt, bekomme ich Panik: Es ist nicht nur mein Schreibtisch, der einer Wickelkommode Platz macht, sondern mein ganzes Leben, das vor einer noch nie so dagewesenen Veränderung steht. „Bin ich überhaupt bereit dafür?“, frage ich mich. „Kann ich das überhaupt?“ Am nächsten Tag grabe ich alle Schwangerschaftsbücher aus ihrer Verbannung aus. Ich fange an, mich zum ersten Mal auch mit der Geburt auseinanderzusetzen. Alles, was ich dazu lese, macht mir unfassbare Angst. Aber ich habe mir fest vorgenommen, alles zu tun, um mich so gut es eben geht körperlich, emotional und mental auf die Geburt vorzubereiten. Mein Baby wird mich sowieso auf all die Ängste stoßen, die es noch zu fühlen gilt – soviel habe ich mittlerweile gelernt – also werde ich dem Rechnung tragen und mich auch mit ihnen beschäftigen.
©Kretschmer Fotografie
Schwangerschaftswoche 16 (5. - 11. November)
Als würde mein Leben sagen: „Nun, wenn du jetzt bereit für Veränderung bist, dann halt dich gut fest“, kommen in den nächsten Wochen ein paar Hiobsbotschaften herein geprasselt. Wir bekommen die Chance auf eine für uns perfekte Wohnung, für die wir die einzigen Bewerber sind. Trotzdem erhalten wir eine Absage. Der Vermieter will lieber ein Paar ohne Kind. Außerdem seien 90 Quadratmeter einfach zu klein (bitte was?) und der fünfte Stock viel zu anstrengend. Ich bin fassungslos. Wie ungerecht von ihm, dass er für uns urteilt, was nur wir selbst beurteilen können. Und mein Baby soll der Grund sein? Ich will mein Kind in Schutz nehmen und dem Vermieter ins Gesicht schlagen. Natürlich tue ich das nicht. Aber das Gefühl ist neu und es fühlt sich gut an. Zusätzlich werde ich ein paar Tage später in das Büro meiner Vorgesetzten gebeten. Obwohl alles danach aussah, dass ich meinen Job gut mache (erst letzten Monat hatte ich eine Gehaltserhöhung bekommen), wird mein Vertrag nicht verlängert. Auch wenn der Job an sich mir nicht viel bedeutet und eher als Übergangslösung gedacht war, so ist es finanziell und menschlich gesehen ein Schock. Wie kann man das im Jahr 2020 mit einer schwangeren Angestellten machen? Und wie soll ich die letzten Monate mit diesem Wissen auf der Arbeit bloß überstehen?
Schwangerschaftswoche 17 (12. - 18. November)
Aber es geht. Es geht für unser Kind. Denn während mir die Zeit bei der Arbeit immer unangenehmer und sinnloser erscheint, Corona währenddessen Existenzen zerstört und vielen die Hoffnung raubt, wächst da ein kleiner Mensch in meinem Bauch. Er hat jetzt in etwa die Größe einer Orange und sorgt dafür, dass ich trotz allem immer mehr in „Familienstimmung“ komme. So stelle ich dem Baby in meinem Bauch sein zukünftiges Leben vor: „Das ist Jack, unser Kater“, sage ich, während ich gleichzeitig meinen Bauch und Jack streichele. „Den wirst du mögen.“ Ich erzähle weiter – von den Menschen, die mein Kind kennenlernen und dem Leben, in das es hineingeboren werden wird. Bei Autofahrten übe ich nun alle Kinderlieder, die ich kenne und singe sie meinem Baby vor. Leider sind es erschreckend wenige, weshalb ich schon bald auf Serien- und Weihnachtslieder umschwenken muss. Und wir kaufen einen Spieleteppich. Von unserer Familie werden wir zwar dafür ausgelacht (was ich aus heutiger Perspektive durchaus verstehe), aber wir sind so glücklich. Wie sehr ich mich auf das Leben mit meinem Kind freue!
Schwangerschaftswoche 18 (19. - 25. November)
Ich liege auf der Couch, während Nils kocht. Ich sehe ihm zu, lege die Füße hoch, als endlich das passiert, worauf ich so lange gewartet und mich so sehr gefreut habe: Ich spüre plötzlich etwas, das sich wie ein unregelmäßiger, heftiger Herzschlag in meinem Bauch anfühlt. „Nils, Nils, Nils!“, rufe ich. EIch kann es fühlen, komm her!“ Nils kommt angerannt, in der einen Hand die Pfanne, die andere auf meinem Bauch und auch er kann es spüren, unser Kind, das schon so viel Kraft hat, gegen meine Bauchdecke zu treten.
Schwangerschaftswoche 19 (26. November - 2. Dezember)
Ich sitze bei der Arbeit und habe nichts zu tun. Völlig unbedacht gebe ich „Illustration studieren“ in die Suchmaschine ein und recherchiere mehrere Stunden. Wenn ich hierher schon nicht zurückkehren werde, dann werde ich jetzt aufs Ganze gehen. Also mache ich etwas, wobei ich mir aberwitzig, unverschämt und auch ein bisschen naiv vorkomme: Ich buche einen Illustrationskurs für 2021. Es ist ein weiterer Traum, dem ich ein Stück näherkomme und gebe mir und meinem Baby das Versprechen, meine beiden größten Träume miteinander zu verbinden: Mama zu sein und zu illustrieren.
Schwangerschaftswoche 20 (3. - 9. Dezember)
Wir sitzen gemeinsam beim zweiten Ultraschall, aufgeregt und vorfreudig, wie man nur sein kann. Es ist die erste Untersuchung, die wie im Film durch die Bauchdecke gemacht wird. Meine Frauenärztin beginnt mit dem Ultraschall und hält sofort wieder Inne. „Wollen Sie das Geschlecht überhaupt wissen?“, fragt sie und als wir bejahen: „Es wird ein Junge.“ Wir sind etwas perplex – war das ein Scherz? Schließlich hat sie nicht einmal drei Sekunden in meinen Bauch gesehen. Als sie versteht, was los ist, zeigt sie uns das Bild und es ist vollkommen ausgeschlossen: Wir bekommen einen Jungen. Es wird ein Ole. Mein Sohn Ole. Er ist rundum gesund und verdammt – er sieht so niedlich aus! Wir können sein kleines Gesichtchen sehen, das seinem Vater unheimlich ähnlichsieht. Ganz friedlich liegt er auf dem Rücken und schläft. Seine winzigen Händchen greifen umher und sein Herz schlägt sichtbar. Das Foto vom Ultraschall bewahre ich wie einen Schatz, drucke es noch mehrfach aus und klebe es an unseren Kühlschrank. Das ist also unser Ole, der schon jetzt ein Teil unseres Lebens ist, der einfach nicht mehr wegzudenken ist. „Ole, mein Sohn“, wie unfassbar schön das klingt.
Schwangerschaftswoche 22 (17. - 23. Dezember)
Nils spielt Weihnachtslieder auf der Gitarre, übt für den Heiligen Abend und während ich auf der Couch liege und ihm zuhöre, bemerke ich, wie angespannt mein Bauch ist. Richtig hart ist er. Ich bekomme Angst, dass es Vorwehen sein könnten und es Ole nicht gut geht. Ich habe ihn den ganzen Tag noch nicht treten gefühlt. Nils hilft mir, mich zu beruhigen, auch wenn er selbst Angst hat. Da fühle ich einen Tritt. Und noch einen. Trotzdem sage ich die Arbeit für den nächsten Tag ab und schon mit der Entscheidung entspannt sich mein Bauch ein wenig. Am nächsten Morgen telefoniere ich mit Anke, meiner Hebamme. Es könnten Übungswehen gewesen sein oder eine Muskelanspannung der Gebärmutter, weil Ole wächst – auf jeden Fall habe das auch mit Stress zu tun. Ich soll mich ausruhen. Beim Frauenarzt wird klar, dass alles so ist, wie es sein sollte. Der Muttermund ist nicht verkürzt und es ist auch keine Wehentätigkeit messbar. Eigentlich möchte ich fragen, ob ich bis Weihnachten krankgeschrieben werden kann, aber ich traue mich nicht. Zu groß ist mein Pflichtbewusstsein – in einer Firma, die mich nicht übernimmt, weil ich schwanger bin. Während ich wieder zu Hause in der Badewanne liege und Ole erleichtert in meinem Bauch herumturnt, merke ich erst WIE angespannt ich die ganze letzte Woche gewesen bin. Eines ist klar: Ich muss langsamer machen. Das zweite Trimester nähert sich dem Ende. Jetzt kommt der Endspurt.
Schwangerschaftswoche 23 (24. - 30. Dezember)
Wenn ich an Weihnachten 2020 denke, dann denke ich natürlich an Abstand, Mundschutz und Lockdown, an viele Ängste und Fragezeichen. Ich denke aber vor allem an das schönste und entspannteste Weihnachtsfest, das ich in meinem Erwachsenenleben bisher erlebt habe. Ich denke an Ole in meinem Bauch, der fröhlich strampelt und Schluckauf hat und an all die Hände, die ihn in den Weihnachtstagen zum ersten Mal fühlen können. Es ist verrückt, wie präsent er jetzt schon ist und wie viele Menschen es gibt, die es nicht abwarten können, ihn endlich kennenzulernen. Unter dem Vorzeichen „kein Stress“ war es ein Weihnachten, an dem ich vieles einfach so sein gelassen habe, wie es eben ist. Geschenke ohne Schleifen, Crème Brûlée ohne Zucker, eine Weihnachtskarte mit falschem Foto und Essen ohne schlechtes Gewissen. Vieles war nicht so perfekt, wie es ein Teil von mir gerne gehabt hätte, aber gerade dadurch, dass ich losgelassen habe, war ich überhaupt bereit für all die großen und kleinen Wunder. Für Tränen bei der Geschenkübergabe, wühlen in Müllsäcken voll Babyklamotten und einem Ultraschallbild mit dem Namen „Ole“ darauf. Auch die Tage zwischen den Jahren nutze ich nicht wie sonst für Reflexion und Pläne schmieden, sondern zum Ausruhen und Kraft tanken. Ich bin dankbar für 2020 mit all seinen Höhen und Tiefen, für all das, was ich lernen und erfahren durfte, für meine Entscheidungen, neue Menschen und tiefere Freundschaften, so viel mehr Entspannung, Ole und die Erkenntnis, dass meine Vision daraus besteht, Mama zu sein und zu malen. Und dafür, dass ich mich auf 2021 so sehr freue, wie auf noch kein Jahr zuvor. Ich bin so gespannt, was es für mich und uns bereithält.