„Nur wer erkennt, wann es sich um einen Notfall handelt, kann das Kind auch dementsprechend behandeln – und zwar rasch und richtig”, findet Dr. med. Katharina Rieth. Warum eigentlich und wie funktioniert das überhaupt?
Auch Früherkennung bei Babys ist wichtig, um Auffälligkeiten im Kindesalter festzustellen. Mehr darüber erfahrt in unserem Artikel "Vorsorge im Blick"
Dr. med. Katharina Rieth ist Kinderfachärztin, Intensivmedizinerin und Notärztin und kennt sich dank dieser seltenen Kombination mit allen Besonderheiten, die es bei Kindern und Säuglingen zu beachten gibt, besonders gut aus. Ihr ist es ein großes Anliegen, Eltern, Großeltern und Aufsichtspersonen zu informieren und aufzuklären, damit sie im Notfall handlungsfähig sind und es im Idealfall erst gar nicht so weit kommt.
Was bedeutet Erste Hilfe?
„Man könnte meinen, wir sind eine gut aufgeklärte und informierte Gesellschaft”, erklärt Katharina Rieth. „Im Notfall kann ja jeder schnell googeln und im Zweifel kommt nach Absetzen des Notrufes schnell der Rettungswagen – da muss man nicht viel selber wissen.” Die Gefahr durch „Dr. Google“ sei jedoch riesig. Es gebe so viele Falschinformationen, dass eine gewisse Gesundheitskompetenz absolut notwendig sei, um überhaupt verlässliche Informationen zu finden.
In Deutschland sind etwa sechs Prozent aller Notfälle Kindernotfälle. „Viele Eltern verlassen sich auf das Gesundheitssystem”, sagt Katharina Rieth. „Doch nur wenige, die in der Notfallrettung arbeiten, kennen sich mit Kindern und Babys aus und eine Routine, wie sie beim Notfall an Erwachsenen besteht, gibt es hier einfach nicht.”
Umso wichtiger also, selbst Verantwortung zu übernehmen und sich zu informieren. Laut Katharina Rieth beinhaltet Erste Hilfe nämlich nicht nur das Durchführen von Reanimationsmaßnahmen, sondern auch das Erkennen und Vorbeugen von Notfällen. Fieber messen oder ein Pflaster aufkleben seien ebenso Teil davon wie eine gut sortierte Hausapotheke und die Fertigkeit, den Notruf richtig abzusetzen.
Erste Hilfe bei Säuglingen
„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen” – das ist Katharina Rieths Leitspruch, wenn es um die Aufklärung über Kindernotfälle geht. Denn bei Kindern sind anatomische, physiologische und emotionale Besonderheiten zu beachten. Ein Notfall wird bei ihnen an anderen Symptomen festgemacht als bei Erwachsenen und auch die Behandlung erfolgt nicht gleich.
„Kindernotfälle sind besonders zeitkritisch”, erklärt Katharina Rieth. Je jünger ein Mensch, desto kürzer komme er ohne Sauerstoff aus. Besonders wichtig sei das schnelle Handeln deshalb bei Säuglingen.
Bei ihnen unterscheidet sich auch die richtige Anwendung der Reanimation von der bei Erwachsenen: Säuglinge sollten immer zuerst fünfmal beatmet werden, bevor mit der Herz-Druck-Massage begonnen wird. Sind sie jünger als ein Jahr, sollte niemals der Hals überstreckt werden und stattdessen die „Schnüffelposition” angewandt werden, bei der ein Gegenstand (zum Beispiel eine Windel oder ein Strampler) unter die Schulter des Babys gelegt und dabei Mund und Nase beatmet werden.
Das sind nur ein paar Unterschiede. Um wirklich kompetent handeln zu können, sei es wichtig, sich selbst im Thema Gesundheit und Prävention zu schulen und regelmäßig zu üben.
Wann anfangen?
Die beste Zeit, sich Wissen anzueignen, ist laut Katharina Rieth noch vor beziehungsweise in der Schwangerschaft. „Da hat man noch genug Zeit dafür”, lacht sie. Natürlich ist sie sich bewusst, dass die Beschäftigung mit Notfällen konfrontieren und Ängste hervorholen kann. Für sie stehe das aber nicht in Relation. Die Auseinandersetzung sei einfach zu wichtig und am Ende sei Sicherheit in Form von Wissen das beste Mittel gegen Angst.
Erste-Hilfe-Buch
Dieses Jahr ist Katharina Rieths Buch „Fit für den Kindernotfall” im medhochzwei Verlag erschienen, das Eltern von Neugeboren bis hin zum zwölfjährigen Kind viel Material an die Hand gibt. Bevor es um die „richtigen” Notfälle wie Fieber, Nasenbluten, Verschlucken und Insektenstiche geht, erklärt sie zunächst ausführlich die richtige Reanimation und geht auf all das ein, was im Alltag mit Säuglingen und Kindern aus medizinischer Sicht wichtig ist. Viele Infografiken, Diagramme und Statistiken veranschaulichen das fundierte Wissen.
Einen riesigen Mehrwert bieten zudem die vielen Querverweise zu weiterführendem Fachwissen: Jedes Kapitel wird mit Minirezensionen von Experten aus dem Bereich der Kindergesundheit eingeleitet. Im Buch verstreut findet ihr QR-Codes, die euch zu verlässlicher Fachliteratur und einem eigens fürs Buch entworfenen Miniwörterbuch der wichtigsten Fachbegriffe weiterleiten. All das hilft dabei, auf unkomplizierte Weise besonders tief und vielfältig ins Thema einzutauchen.
Online-Kurs
In ihrem Online-Kurs „KindernotfallABC” erklärt Katharina Rieth in 20 Videos alles, was zum Thema Kindernotfall wichtig ist – vom Neugeborenen bis hin zum 3-jährigen Kind. Zusätzlich stehen euch praktische Fallbeispiele mit Ton- und Bildmaterial sowie Checklisten und Updates zur Verfügung, die ihr euch orts- und zeitunabhängig anschauen könnt. Nach jeder Lektion könnt ihr euer Wissen in einem kleinen Test überprüfen. Zudem könnt ihr Fragen an Katharina stellen. Zugriff auf das Material habt ihr mindestens drei Jahre.
Kurse vor Ort
In speziellen Erste-Hilfe-Kursen für Säuglinge lernt ihr das richtige Handeln im Ernstfall. An entsprechenden Reanimationspuppen übt ihr die Reanimation und häufig auch verschiedene Manöver zur Entfernung von Fremdkörpern aus den Atemwegen. Für junge Eltern ist dieses Wissen und Üben essentiell.
„Allerdings ist in einem Vor-Ort-Kurs die Vermittlung wichtiger Informationen zur Verhinderung brenzliger Situationen und dem Erkennen spezieller Notfälle sowohl zeitlich als auch häufig fachlich gar nicht möglich'', erklärt Katharina Rieth. Deshalb empfiehlt sie Eltern eine Kombination aus Präsenzkurs, Onlinekurs und Buch, damit das Wissen im Notfall auch wirklich sitzt.
Dr. med. Katharina Rieth ist Kinderfachärztin, Intensivmedizinerin und Notärztin in Tübingen. Ihr Buch „Fit für den Kindernotfall. Von Fieber bis Reanimation“ ist im medhochzwei Verlag erschienen, ISBN 978-3862168958, 200 Seiten, 29 EURO.