Schreien als Ausdruck von Bedürfnissen
Schauen sich die jungen Eltern nach der Geburt ihr neues Familienmitglied an, stellen sie schnell fest, wie zerbrechlich ihr Neugeborenes wirkt. Physiologisch betrachtet ist der Mensch eine Frühgeburt. Säuglinge sind in allem auf Hilfe angewiesen. Sie können ihr Köpfchen nicht selbst halten, die Schädelplatten sind noch verschiebbar und die Darmflora ist nicht fertig ausgebildet, sodass viele Babys anfangs starke Blähungen haben. Stillkinder haben alle zwei bis drei Stunden Hunger und schlafen zwischendurch. Schreien ist ihr stärkstes Mittel, um auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen.
Abstufungen des Schreiens erkennen
Das neue Familienmitglied bestimmt jetzt das Leben, und für Mutter und Vater beginnt ein völlig neuer Lebensabschnitt mit ihrem Baby. Doch Eltern und Kind müssen sich erst gegenseitig kennenlernen. Steht das Schreien für Hunger, Müdigkeit, das Bedürfnis nach Nähe? Zuerst hört sich alles gleich an, erst mit der Zeit lernen Mütter und Väter, das Schreien dem richtigen Bedürfnis zuzuordnen. Das erste Lächeln und ein erstes „erre“ im Alter von circa sechs Wochen erleichtern die Kommunikation.
Wie viel Schreien ist normal?
Jedoch gibt es tatsächlich Kinder, die be-sonders häufig schreien und Probleme beim Trinken und Essen, Verdauen und Stuhlgang haben. Experten sprechen heute von Regulationsstörungen, früher wurden sie oft „Dreimonatskoliken“ genannt. Doch was ist normal und wann sollten sich Eltern Hilfe holen? Die Sozialpädagogin Mechtild Weiler-Pelka kennt die Schwierigkeiten, die junge Eltern haben, wenn ein Säugling viel schreit. Sie berät seit vielen Jahren Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern in ihrer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Praxis. „Ein Drittel des Tages können Babys unzufrieden erscheinen. Sie quengeln und brauchen Aufmerksamkeit für ihre Grundbedürfnisse“, erklärt sie. „Das ist ganz normal und ihre Art, sich uns mitzuteilen. Doch Eltern empfinden dieses Quengeln sehr unterschiedlich."
Die Dreierregel
Manche belaste dies mehr als andere und manche Kinder wirkten unruhiger als andere. In jedem Fall spiele es eine große Rolle, dass es eine Umstellung im Zusammenleben als Paar hin zum Zusammenwachsen als Familie mit Kind gegeben habe. „Nach der Geburt haben Mütter zumeist Unterstützung von Hebammen“, so Pelka. Diese fingen viele der Probleme auf. Bei sogenannten Schreibabys reiche das aber nicht. „Sie schreien bis zu drei Stunden am Tag, drei Tage pro Woche und über drei Wochen lang. Eltern fühlen sich überfordert, isoliert und nicht verstanden“, ergänzt die Therapeutin. „Sie sollten nicht zu lange warten und unbedingt Hilfe holen, wenn sie merken, dass sie Kraft verlieren, müde und gereizt auf ihr Baby reagieren. Eltern sollten sich Hilfe holen können, ohne sich dabei schlecht zu fühlen.“
Anlaufstellen
Kinderschutzzentrum Mainz, 06131-613737, info@ksz-mainz.de
Atemraum Oppenheim, 0162-9719995, kontakt@atemraum-mainz.de
Schreiambulanz Jutta Pipper, 06132-897780, kontakt@eeh-beratung.de
Bebizeit Wiesbaden, 0160-7008800, funk@bebizeit.de
Sozialpädiatrisches Zentrum Wiesbaden, 0611-432918, spz-leitstell.hsk@helios-gesundheit.de