Ein Auslandsaufenthalt während der Schulzeit ist für viele Schüler:innen eine nachhaltige Erfahrung. Eltern, die ihren eigenen Kindern einen längeren Auslandsaufenthalt ermöglichen möchten, stoßen nach ersten Recherchen allerdings auf ernüchternde Ergebnisse: Ein Schuljahr in Australien oder Neuseeland kann locker 30.000 Euro kosten. Doch es muss nicht so teuer sein, verspricht Michael Eckstein von der Deutschen Stiftung Völkerverständigung. Er gibt Tipps, wie ein Auslandsjahr während der Schulzeit erschwinglich sein kann und worauf man bei der Organisation achten sollte.
Wann soll es losgehen?
Wer ein halbes oder ein ganzes Schuljahr im Ausland verbringen möchte, sollte früh mit der Planung beginnen – zumindest, wenn es noch eine Auswahl an bezahlbaren Plätzen am Wunschort geben soll. Eckstein rät zu anderthalb bis zwei Jahren bevor der Aufenthalt starten soll. Doch welches Schuljahr ist überhaupt sinnvoll? Für Schüler:innen von Gymnasium und Gesamtschule bietet sich die Zeit nach dem mittleren Schulabschluss und vor der Qualifikationsphase an – in Bundesländern mit G9 also die 11. Klasse. Denn: Die Jugendlichen benötigen für den Auslandsaufenthalt eine Beurlaubung. „Die Schule muss die Erlaubnis erteilen, wenn nichts dagegen spricht, wie etwa eine wichtige Abschlussprüfung“, erklärt Michael Eckstein.
In Kontakt bleiben
Auch wenn in der 11. Klasse keine wichtigen Prüfungen anstehen – Eckstein rät dazu, während der Auslandszeit mit der heimischen Schule in Kontakt zu bleiben. „Es ist hilfreich, wenn die Lehrkräfte Hinweise geben, welche Themen in dem Zeitraum besprochen werden, damit die Schülerinnen und Schüler das Wissen aufholen können – und in den folgenden beiden Schuljahren keine Lücken entstehen.“ Denn die Leistungen im Ausland werden im Allgemeinen nicht anerkannt. Insgesamt, so schätzt der Experte, gehen 15.000 Schüler:innen pro Jahr ins Ausland. Statistiken gibt es keine. „Vor Corona lag die Größenordnung bei knapp 20.000 Jugendlichen, dann sind die Zahlen stark eingebrochen. Aber die Angebote werden nach und nach wieder aufgebaut.“
In welches Land soll es gehen?
Steht der Zeitpunkt fest, müssen sich interessierte Jugendliche „nur noch“ für ein Land entscheiden. Die Auswahl ist groß: „Schülerinnen und Schüler können zurzeit in rund sechzig Ländern der Welt einen Auslandsaufenthalt machen“, sagt Michael Eckstein. Er und seine Stiftung haben es sich zum Ziel gemacht, Familien möglichst gut über bezahlbare Aufenthalte zu informieren – etwa auf ihrer Homepage und auf den „Auf in die Welt“-Messen, die die Stiftung organisiert. Eckstein rät unbedingt dazu, solche oder ähnliche Messen zu besuchen und nicht nur im Internet zu recherchieren. „Durch die Corona-Pandemie hat sich der Markt stark verändert, manche Agenturen existieren nur noch als Website“, warnt er. Die Deutsche Stiftung Völkerverständigung, Mitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen, vergibt jährlich ein Gütesiegel für seriöse und leistungsfähige Partner. Auf der Liste stehen aktuell rund 50 Agenturen, online einsehbar auf deutsche-stiftung-voelkerverstaendigung.de.
Wer hilft bei der Planung?
Muss alles unbedingt über eine Agentur laufen? Schließlich will die – neben all den anderen Kosten – ja auch noch bezahlt werden. Eckstein plädiert dafür. „Das sind Minderjährige, die ans andere Ende der Welt reisen. Da machen die Sicherheit und organisatorische Unterstützung vor Ort Sinn.“ Zudem sei es sehr kompliziert, den Aufenthalt selbst zu organisieren: die Schule vor Ort, die Unterkunft, das Visum, die Krankenversicherung – all das muss ja penibel aufeinander abgestimmt sein. „Und wenn irgendetwas nicht klappt, muss der Jugendliche vorzeitig den Rückflug antreten“, sagt Eckstein. Bei einer Agentur hingegen gebe es Ansprechpartner:innen vor Ort, die die meisten Schwierigkeiten lösen könnten. Das häufigste Problem ist übrigens der Wechsel der Gastfamilie. Zudem sei es oft sogar günstiger, den Aufenthalt mit einer Agentur zu organisieren. Wer sich für das klassische USA Programm interessiert, muss das sogar. „Das ist eine Voraussetzung, denn das Programm wird vom amerikanischen Staat nur finanziert, wenn es über eine anerkannte Austauschorganisation erfolgt.“
Wie teuer ist es?
„Früher sind 80 bis 90 Prozent der Austauschschüler in die USA gegangen“, berichtet Michael Eckstein. „So hoch ist der Anteil nicht mehr, aber das USA-Classic-Programm ist immer noch das beliebteste.“ Wohl auch, weil ein Aufenthalt hier vergleichsweise günstig ist: Mit Nebenkosten und Taschengeld müssen Familien zwischen 13.000 bis 15.000 Euro für ein Schuljahr zahlen. Das Geld geht vor allem für Agentur, Visum und Flüge drauf, denn die Gastfamilien bekommen kein Geld und das Schulgeld wird vom US-Staat übernommen. Andere englischsprachige Ziele, in denen Gastfamilie und Schulgeld bezahlt werden müssen, schlagen damit deutlich mehr zu Buche: Ein Schuljahr in Kanada kostet ab 20.000 Euro, Australien und Neuseeland um die 30.000 Euro. Ein Geheimtipp war Irland – doch aufgrund der Beliebtheit haben die Kosten in dem westlichen EU-Land ebenfalls deutlich angezogen. Sie liegen zurzeit bei 13.000 bis 15.000 Euro.
Sprachgrenzen überschreiten
Michael Eckstein hat beobachtet, dass das Interesse an Lateinamerika wächst – schließlich unterrichten viele Schulen mittlerweile Spanisch als zweite Fremdsprache, die kann man bei so einem Auslandsjahr dann gut trainieren. Vor allem das demokratische, politisch stabile Costa Rica sei seit einigen Jahren sehr begehrt. Und auch die Ziele in Europa rücken mehr in den Blick, denn sie haben große Vorteile: „In den EU-Ländern muss man an staatlichen Schulen normalerweise kein Schulgeld zahlen, man braucht kein Visum und der Aufenthalt ist vergleichsweise günstig.“ Eckstein regt an, auch mal an Länder wie Dänemark, Schweden, Polen oder Italien zu denken. Doch wie sollen die Jugendlichen an einer Schule bestehen, wenn sie die Landessprache nicht beherrschen? Die Grundkenntnisse sollte man sich vorab in einem Sprachkurs aneignen, „um die ersten 14 Tage zu überstehen“, rät Eckstein. „Erfahrungsgemäß lernen die Jugendlichen die Sprache sehr schnell. Es geht ja auch nicht darum, tolle Noten zu schreiben, sondern Land, Leute und Kultur kennenzulernen.“
Wie können Familien Geld sparen?
Auch 13.000 Euro sind eine Menge Geld. Eckstein merkt an: „Man sollte bedenken, dass in dieser Zeit die alltäglichen Kosten des Kindes zu Hause für Essen, Sportkurs oder Musikschule wegfallen. Das Kindergeld wird aber trotzdem weitergezahlt.“ Eltern können außerdem Auslands-BAföG beantragen: Bis zu 7.500 Euro für ein Schuljahr sind möglich, der Antrag muss jedoch frühzeitig gestellt werden. Unterstützung ist außerdem durch Stipendien möglich. Die Deutsche Stiftung Völkerverständigung vergibt pro Schuljahr mehrere Taschengeld-Stipendien in Höhe von 2.500 Euro. „Natürlich müssen Familien trotzdem einen gewissen Eigenbeitrag zahlen“, sagt Michael Eckstein, „aber es geht ja auch um eine besondere Erfahrung, und die darf dann auch was kosten.“ Es muss ja nicht das andere Ende der Welt sein. Auch Irland, Schweden oder Spanien sind eigentlich ganz schön weit weg von zu Hause.